Porträt Monika Fettermann

Seit mehr als 60 Jahren lebt Monika Fettermann in der rheinhessischen Gemeinde Ober-Flörsheim im Landkreis Alzey-Worms. Gemeinsam mit ihrem Mann bewohnt sie einen der typischen Höfe, die das Bild der rheinhessischen Weindörfer prägen.

Für sie wurde der kleine Ort zur liebgewonnenen Heimat. Ihre ursprünglichen Wurzeln jedoch liegen in Wrocław, dem ehemaligen Breslau, Hauptstadt der Region Schlesien, die am Ende des Zweiten Weltkriegs unter polnische Verwaltung gestellt wurde. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder Peter reihte sich die damals Zweijährige 1945 in die unzähligen Trecks, die aus den ehemaligen deutschen Gebieten Ostpreußen, Pommern, Brandenburg und Schlesien in den Westen strömten. Viele Bewohner der einstigen deutschen Ostgebiete durchlitten sowohl die Vertreibung aus der Heimat als auch die große Flucht 1944/45. Noch vor der erzwungenen Migration der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße, der Tschechoslowakei, Ungarn und anderen Siedlungsgebieten in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa flohen am Ende des Zweiten Weltkriegs Hunderttausende in den Westen.[1] Zwischen 1944 und 1948 mussten 11.900.000 Deutsche ihre Heimat verlassen[2].

Es kam weder im Westen noch im Osten Deutschlands zu einer reibungslosen, schmerzfreien und harmonischen Integration der Flüchtlinge. Bei der Ankunft im »Westen« waren sie teils mit Verachtung konfrontiert. Flüchtlinge wurden wegen des rollenden »r« in der Aussprache oft einfach als Polacken beschimpft. Für die furchtbaren Erlebnisse der Flüchtlinge wie Misshandlungen und Vergewaltigungen interessierte sich niemand. Die Probleme der Integration waren kein Thema in beiden Teilen Deutschlands.[3]

Ortsansicht von Ober-Flörsheim
Mit Handwagen, Pferdefuhrwerken oder gar zu Fuß flohen die Menschen in das westliche Reichsgebiet. Rund zwei Millionen starben durch Hunger, Frost oder durch Tieffliegerangriffe der Alliierten.

So wie sie gehörte auch Monika Fettermann zu jenen Kindern, die 1945 vertrieben wurden oder flüchteten.
Der alte Schulsaal im heutigen Ober-Flörsheimer Heimatmuseum ist nahezu unverändert.

In dem Bericht des Bundesministeriums für Vertriebene, Bonn 1953, heißt es dazu:

Im Interview gibt Monika Fettermann einen Einblick in ihre schicksalhafte Kinder- und Jugendzeit, ihre Ankunft in Rheinhessen und dem, was Heimat heute für sie bedeutet. 

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Die Flucht aus Albendorf war für ihre Eltern so traumatisch, dass dieses Thema nie angesprochen wurde, auch dann nicht, wenn die Kinder beharrlich danach fragten. Bis auf eine Geschichte, die sich im niedersächsischen Flüchtlingslager Helmstedt ereignete.

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Kurz darauf war eine Wohnung im nahe gelegenen Gutshaus gefunden. Doch auch dies sollte nur ein Bleiben auf Zeit sein.

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Wie so viele andere ostdeutsche Familien, erreichte auch die Familie Grüger, so der Nachname ihrer Eltern, Rheinhessen. Die erste Station war Eppelsheim in der Nähe von Alzey. Alle Ankömmlinge wurden in die beiden dortigen Kinos verteilt, die ihnen als Notunterkunft übergangsweise zur Verfügung standen. Erneut wurde die Familie getrennt, da in einem der Kinos nur weibliche, in dem anderen die männlichen Flüchtlinge aufgenommen wurden. Am 26. Juni 1950 traf die Familie endlich in Ober-Flörsheim ein. Mit der Ankunft in der rheinhessischen Ortsgemeinde ging auch ein Herzenswunsch des Vaters in Erfüllung: dort eine neue Heimat zu finden, wo eine katholische Kirche war.

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Obwohl alles neu für die damals Siebenjährige war, gewöhnte sie sich schnell in das rheinhessische Dorfleben ein. Die frühere Geborgenheit in der Großfamilie vermisste sie allerdings schmerzlich.

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In dem einstigen Schulsaal, der im Dorfgemeinschaftshaus in Ober-Flörsheim untergebracht war, befindet sich seit 1980 das Heimatmuseum, das in liebevoller Zusammenstellung einen Einblick in die Entwicklung des Dorfes und seiner Geschichte gibt. Auch finden sich hier die original Schulbänke, die Tafel und die Karten wieder, die Zeugnis über das Schülerleben in den 1950er Jahren ablegen. Wie für viele Ober-Flörsheimer gibt die Szenerie auch für Monika Fettermann Raum für Erinnerungen.

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Trotz schmerzlicher Erfahrungen in ihrer ersten Schulzeit erinnert sie sich gerne an so manchen Streich, den vornehmlich die Jungen den Dorflehrern Hessinger und Schmahl spielten.

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Mit der Sammlung, die heute weit über 1.200 Exponate umfasst, begann 1968 der damalige Lehrer Hans-Walter Hessinger. Wie alle anderen Flüchtlinge und Vertriebenen musste auch Monika Fettermanns Familie nahezu alles in ihrer früheren Heimat zurücklassen. Liebgewonnenes, Erbstücke, Möbel und Geschirr. Einzig ein Kreuz und drei Krippenfiguren haben die lange Reise und alle Gefahren überstanden. Bis zu jenem Weihnachtsabend in Ober-Flörsheim.

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Gerne hätte die Ober-Flörsheimerin schon in jungen Jahren ihre ehemalige Heimat wiedergesehen. Den berühmten Wallfahrtsort Albendorf, das heutige polnische Wambierzyce, mit seiner prachtvollen Basilika, das Haus der Großeltern, ihre Geburtsstadt Breslau. Doch ihr Wunsch wurde vom Vater brüsk abgelehnt.

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Durch ihren Mann und ihre drei erwachsenen Kinder, ihren Freundeskreis und die Aktivitäten in der Dorfgemeinschaft ist Monika Fettermann schon lange in Ober-Flörsheim zuhause. Doch was bedeutet Heimat für sie?

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Durch die zahleichen Stationen, die sie seit ihrem zweiten Lebensjahr als Flüchtlingskind, als Zugewanderte in einer neuen Umgebung und als Angekommene in einer liebgewordenen Heimat durchlaufen hat, kann sie die Situation und Gefühle der Flüchtlinge unserer Zeit sehr gut nachempfinden.

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Quellenangaben

[1]  Vgl. Arnd Bauerkämper: Deutsche Flüchtlinge und Vertriebene aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa in Deutschland und Österreich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. In: Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hg. v. Klaus J. Bade, Pieter C. Emmer, Leo Lucassen, Jochen Oltmer. Paderborn/München 2007, 2., erw. Aufl. 2008, S. 477–485.
[2] Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20. September 2015, Nr. 38, S. 26.
[3] Hilke Lorenz: Heimat aus dem Koffer – Vom Leben nach Flucht und Vertreibung. List, Berlin 2011, ISBN 978-3-548-61006-1.
[4] http://digicoll.library.wisc.edu/cgi-bin/History/History-idx type=goto&id=History.Vertriebene&isize=M&submit=Go+to+page&page=1, ff