Interview mit Austin Harrington, Mitbegründer und Vorstandvorsitzender der Ukraine–Hilfe Koblenz e.V.

Austin Harrington engagiert sich seit Kriegsbeginn 2022 ehrenamtlich in Koblenz für ukrainische Kriegsflüchtlinge. Was zunächst aus einem privaten Koblenzer Helfernetzwerk entstand, entwickelte sich ab Oktober 2022 zum gemeinnützigen Ukraine–Hilfe Koblenz e.V. Für den Koblenzer und früheren Prävenstionsbeauftragten des Weißen Rings e.V. Landesverband Rheinland-Pfalz, ist es eine Fortführung seines sozialen Engagements. 

Wann wurde die Ukraine-Hilfe Koblenz gegründet?

Die Ukraine-Hilfe Koblenz e.V. wurde kurz nach Kriegsbeginn 2022 von engagierten Bürgerinnen und Bürgern im Raum Koblenz gegründet, um Sachspenden zu sammeln und den Transport mit LKWs in die Ukraine zu organisieren. So konnte sogar das Inventar für eine ganze Arztpraxis an die Grenze gebracht werden. Auch unterstützte die Initiative, die zu 90 Prozent aus weiblichen Mitgliedern besteht, von Anfang an ukrainische Flüchtlinge in Koblenz.

Austin Harrington (li. im Bild) Vorstandsvorsitzender der Ukraine-Hilfe Koblenz und Mitglied des Beirats für Migration und Integration der Stadt präsentierten die Arbeit der Ukraine-Hilfe im Rahmen des Festes der Demokratie 2024 in Koblenz.

Zu Beginn des Kriegs zeigte die Zivilbevölkerung in Deutschland enormes Engagement. Hat sich zwischenzeitlich etwas verändert?

Die Hilfsbereitschaft ist weiterhin groß, jedoch sind langfristige Strukturen wie Sprachförderung oder Ansprechpartner für soziale Belange wichtiger geworden. Auch steigt der Bedarf an Unterstützung im Bereich der Integration auf dem Arbeitsmarkt. 

Nach nunmehr drei Jahren Hilfeleistung können wir sagen, dass die meisten Ukrainer hoch motiviert sind sich zu integrieren, stehen jedoch oft vor bürokratischen und sprachlichen Herausforderungen. Die Menschen möchten arbeiten, möchten etwas an dem zurückgeben, womit ihnen unser Land in dieser furchtbaren Situation geholfen hat. 

In welcher Weise unterstützt die Ukraine-Hilfe Koblenz Geflüchtete?

Wir bieten Unterstützung in vielen Bereichen. Unser Sprachclub z.B. ist mehr als nur ein Ort des Lernens. Er ist eine lebendige Plattform des Austauschs, des Miteinanders und des kulturellen Zusammenwachsens, der sehr gut angenommen wird.

In der Job AG ist es unser Ziel, durch Jobcoaching und Hilfe bei der Vermittlung von Stellen gute Jobangebote zu bekommen. Zum Beispiel durch Veranstaltungen wie der Kontaktmesse in den Räumen der IHK. 

Erfahrene Sozialarbeiter und Pädagogen unterstützen uns in unserer Jugendhilfe und im Projekt „Integration durch Bildung“. Für unser Team sind uns Studierende und Pädagoginnen und Pädagogen zur Unterstützung auch weiter herzlich willkommen. 

Kunst, Musik und Tanz verbindet Kulturen, bereichert über Grenzen hinweg und kann sogar dazu beitragen, Kriegstraumata zu verarbeiten. Hier haben wir mit unserer Tanzgruppe sehr gute Erfahrungen gemacht.

Welche beruflichen Kompetenzen bringen die Kriegsflüchtlinge mit?

Viele Geflüchtete haben akademische Abschlüsse. Wir haben z.B. Zahnärzte, Kinderärzte, Psychologen und Ingenieure im Verein oder Menschen aus der IT-Branche und Handwerker. So etwa engagiert sich die Kinderpsychologin Oksana Velychko aktiv in der Vereinsarbeit und unterstützt Geflüchtete in verschiedenen Bereichen. Sie ist eine echte Bereicherung im Team.

 

Finden Begegnungsangebote zwischen der Koblenzer Bevölkerung und den Ukrainerinnen und Ukrainern statt?

Ja, es gibt zahlreiche Begegnungsangebote. Für das Kennenlernen von neuen Menschen gibt es kaum eine bessere Möglichkeit, als sich in einem Kaffee zu begegnen. Daher gibt es in unserer Café AG regelmäßige Treffen für Mitglieder und Interessierte in verschiedenen Koblenzer Cafés.   

Spielerische Musikstunden für Kinder und musikalische Erlebnisse für Erwachsene bietet jeden Samstag unsere Harfenistin Valeria Tikhonova, die aus Kyjiv flüchtete. Die Auftritte unseres Chors und unserer Tanzgruppen oder auch einmal humoristisches von unserem Sprachclub zum Thema „Flirttechniken rund um die Welt“ werden - wie alle unsere Angebote - sehr positiv angenommen.

Am ersten Jahrestag nach Kriegsbeginn veranstaltete die Ukraine-Hilfe Koblenz e.V. am 24.02.2023 in der Koblenzer Kultur Fabrik einen Gedenktag, an dem junge Ukrainerinnen des Vereins und Koblenzerinnen teilnahmen.

Mit welchen Problemen haben die hier lebenden Ukrainerinnen und Ukrainer zu kämpfen?

Vor allem mit Sprachbarrieren, Arbeitsmarktzugang, Wohnungssuche und der Unsicherheit über die Zukunft.

Beobachten Sie verstärkt den Rückehrwillen von Ukrainerinnen und Ukrainern in ihre Heimat?

Ja, einige wollen nach Hause zurückkehren, sobald die Lage vor Ort sicherer ist. Viele aber möchten sich hier langfristig eine neue Existenz aufbauen.

Können Sie je ein positives oder weniger gutes Erlebnis aus Ihrer Arbeit benennen, das Sie besonders geprägt hat?

2024 haben wir ein besonderes Projekt ins Leben gerufen: das Kinder Camp für Frieden. Hier trafen 15 Kinder aus Uman im Alter zwischen 7 und 14 Jahren und 25 Kinder aus Koblenz zu Workshops und Tanzevents zusammen. Für die Kinder aus der Ukraine, die bereits ein Elternteil verloren hatten oder Vollwaisen sind, war das ein sehr gelungener und herzerwärmender Event. Der Abschied fiel allen Beteiligten schwer.

Das Kinder Camp für Frieden anlässlich des Koblenzer Augusta Festes gab den Kindern unvergessliche Momente der Freude und des Friedens.

Ein weiteres positives Erlebnis war die erfolgreiche Integration einer Familie, die nun selbst anderen hilft. Eine Schwierigkeit bleibt die Bürokratie, die oft Geduld und Ausdauer erfordert.

Eine Herausforderung, die wir aber erfolgreich bewältigten, war die Diskriminierung ukrainischer Kinder an einer Koblenzer Realschule. Im Schulbereich aber auch außerhalb griffen Jugendliche aus anderen Herkunftsländern die Geflüchteten tätlich an, da sie der Meinung waren, sie hätten einen besseren Status und bekämen mehr finanzielle Zuwendung als sie. Da sich die Eltern der angegriffenen Kinder an die Schule wandten und wir Kenntnis davon bekamen, konnten wir gemeinsam mit der Polizei und der Schule einen Maßnahmenplan erarbeiten, der in Form von Präventionsworkshops Aufklärung schaffte und Wissen vermittelte. 

Wie unterstützt die Stadt Koblenz Ihren Verein?

Durch finanzielle Förderung und Kooperationen. Ein Beispiel war die Tagestour durch Koblenz für die ukrainischen Kinder des Kinder Camps für Frieden, die Bildungs- und Kulturdezernent Ingo Schneider spendete und auch persönlich daran teilnahm.

Das Deutsche Eck in Koblenz war Teil der Stadttour mit Bildungs- und Kulturdezernent Ingo Schneider (1. Reihe vierter von links), Austin Harrington (1. Reihe fünfter von links) und Mitgliedern der Ukraine-Hilfe Koblenz e.V.

Was ist Ihnen darüber hinaus wichtig zu sagen?

Wir planen, unser Programm zu erweitern und möchten Yogakurse, Bogenschießen und Selbstverteidigung anbieten. Dazu sind wir dringend auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten und ehrenamtlichen Kursleiterinnen und -leitern, die uns unterstützen.

Wir danken allen Unterstützern und hoffen auf weiterhin starke Solidarität, um den Geflüchteten bestmöglich zu helfen.

Wie kommen ukrainische Flüchtlinge in Kontakt mit der Ukraine-Hilfe Koblenz?

Über unsere Website, soziale Medien wie Instagram oder Facebook, persönliche Empfehlungen und durch Vernetzung mit anderen Hilfsorganisationen.

www.Ukrainehilfekoblenz.de
https://ukrainehilfekoblenz.de/news
https://www.facebook.com/search/top/?q=ukraine%20hilfe%20koblenz 
https://www.instagram.com/ukrainehilfekoblenz_e.v/ 

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