Yuliia Kolisnyk

Die Epidemiologin Yuliia Kolysnik wurde 1985 in Oleksandrija in der Zentralukraine geboren und wuchs als Einzelkind bei ihren Eltern auf. 

Bis zum Kriegsbeginn lebten Yuliia, ihr Mann Denys und die beiden Söhne Ivan (*2010) und Illia (*2015) in Charkiw, der Stadt, in der sie immer leben wollte. 

Mit ihren rund 1,4 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern ist Charkiw die zweitgrößte Stadt der Ukraine[1]. Die Universitätsstadt ist mit 42 Universitäten und Hochschulen nach Kyjiw das bedeutendste Wissenschafts- und Bildungszentrum des Landes, das seine Pforten für Menschen aus dem In- und Ausland bis zum Kriegsbeginn öffnete. 

Für ihre herausragenden Bemühungen um den europäischen Integrationsgedanken zeichnete der Europarat 2010 Charkiw als erste Stadt der Ukraine mit dem Europapreis aus. Während der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine fanden in der Stadt im Metalist-Stadion drei Vorrundenspiele statt, darunter das der deutschen Mannschaft gegen die Niederlande.

„Ich mag diese Stadt sehr und die freundlichen Menschen die dort leben.“

Durch ihre Nähe zur russischen Grenze ist die Millionenstadt seit Kriegsbeginn den russischen Bomben und Raketen schutzlos ausgeliefert. 
 

„Wir konnten es kaum glauben, was am 24.02.2022 passiert.“

Gemeinsam mit ihren Nachbarn flüchteten Yuliia und ihre beiden Söhne mit dem Evakuierungszug zunächst nach Lwiw in der Westukraine, dann über die polnische Grenze. Viele Situationen waren für sie und ihre Kinder riskant. Ihr Mann Denys durfte – wie alle ukrainischen Männer - das Land nicht verlassen. Er blieb bei den Schwiegereltern zurück. Mit einem Rucksack und wenigen Dokumenten im Gepäck kehrten die Flüchtlinge Charkiw den Rücken.

„Wir hatten doch nichts, nur Rucksäcke mit Dokumenten. Das war alles, was wir von unserer Vergangenheit mitbringen konnten.“ (Yuliia Kolysnik)

„Wir haben viele Freunde und Verwandte in Russland und wir konnten kaum glauben, dass irgendetwas passiert.“

„Plötzlich kam ein Mann zu uns, er hielt ein großes Schild auf dem auf Englisch das Wort `Germany` stand.“

Durch ihre ukrainische Bekannte Anja Sell, die seit vielen Jahren in Rülzheim lebt, gelangte Yuliia mit ihren Söhnen Ivan und Illia zur Protestantischen Kirchengemeinde Rülzheim.

„Das war alles fremd für mich.“ 

Zwei große Räume, Küche und Bad stellte Pfarrer Jan Meckler den Ankömmlingen als erste Unterkunft zur Verfügung. „Wir sind in Sicherheit. Das ist das Wichtigste für uns“, war Yuliias erster Gedanke.

„Unsere Kinder sind glücklich“ 

Der Sportverein des Ortes bot der Familie eine kostenfreie Mitgliedschaft an. Illia, der jüngste Sohn, begann mit Karate und fand herzliche Aufnahme. Beide Söhne spielen mit Begeisterung Schach und nehmen sogar an Turnieren teil.

„Sie haben zuhause in der Ukraine immer mit meinem Mann Schach gespielt.“

„Einige Tage später ich dachte, ich mag dieses Leben.“

„In Rülzheim leben viele Ukrainer jetzt…“

Unterstützung findet die wachsende Zahl ukrainischer Mitbürgerinnen und Mitbürger durch das Rülzheimer Familienbüro. Yuliia wünscht sich Kontakt mit den Menschen vor Ort, auch um die Sprache noch besser zu lernen.

„Wir hatten kein Geld, als wir nach Deutschland gekommen waren.“

„Nach sechs Jahren bekommen wir ein Diplom als Ärztin allgemein. Aber für uns in Deutschland gibt es viele Herausforderungen.“

Für ihre Sprachkurse, die online stattfinden, bringt Yuliia sehr viel Disziplin und Kontinuität auf. Die Wissensvermittlung für die Anerkennung ihres Berufs erhält sie in Eigenregie durch entsprechende Online-Programme. Bei Fragen findet sie Unterstützung bei Profes, der IQ Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung Südpfalz, die bei dem gesamten Prozess der beruflichen Anerkennung unterstützt.

„Ich besuche den Kurs online. Hier, an diesem Platz studiere ich.“

„Früher habe ich gedacht, dass das deutsche bürokratische System sehr schwierig ist. Jetzt aber verstehe ich, dass macht Sinn.“

Ihre Familie und Freunde lässt sie regelmäßig online an ihrem Leben in Deutschland teilhaben. Die Nachrichten aus der Ukraine hingegen sind erschütternd. Zerstörung, Arbeitslosigkeit, finanzielle Not und Verzweiflung prägt das Leben der Menschen in immer stärkerer Brutalität.   

„Viele Leute müssen in der Ukraine bleiben. Viele Leute haben keine Häuser, keine Wohnung.“

„Viele Menschen sind traurig, aber jemand soll dort bleiben, arbeiten und weiter leben.“

Wie für viele andere Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen und arbeiten möchten, war es auch das Ziel der Familie Kolisnyk, sich möglichst schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Mittlerweile leben die vier in einer schönen Wohnung in Rülzheim. Auch wenn sie aus Deutschland heraus keinen Zugriff auf ihr Bankkonto in Charkiw haben, kann sich das engagierte Paar durch die Arbeit des Ehemanns als selbständiger Programmierer ein Leben ohne staatliche Unterstützung leisten. 

Beide Söhne besuchen mit Erfolg die deutsche sowie die ukrainische Schule und Yuliia hofft, in absehbarer Zeit wieder in ihrem Beruf als Ärztin arbeiten zu können.