Vom »Gastarbeiter« zum »griechischen Deutschländer«, oder Rückkehrer?

In der frühen Phase ihrer Zusammenarbeit beschränkte sich der Kontakt zwischen Deutschen und Griechen oft nur auf das Arbeitsleben – von wenigen, hoffnungsvollen Beispielen abgesehen:

»Der Vermieter hatte drei Häuser, alle waren an Griechen vermietet. Wir haben uns hier wohl gefühlt, nicht ganz so fremd. Aber so richtig lieb hatte ich nur den Rudolph, den Sohn vom Haus, der hat mir auf dem Feld auch immer geholfen. Aber bis wir heiraten durften, das war lang, alle waren dagegen. Ich, die arme griechische Mieterin, und er, der Sohn vom Rothacker. Seine Familie wollte nicht, meine Mutter wollte nicht«, erinnert sich Viktoria Rothacker-Moschopoulou [1].  

Trotz solch erfolgreicher, deutsch-griechischer »Herzensangelegenheiten« bewiesen die Griechen in Deutschland einen starken ethnischen Zusammenhalt. 1997 stammten weniger als 25% der Kinder aus Mischehen. Im Vergleich dazu wiesen deutsch-spanische Ehen einen Prozentsatz von 81 auf.

Die »Orestie« des Aischylos als Schultheater-Aufführung
Griechisches Kulturgut zum Leben erweckt: Die »Orestie« des Aischylos wurde nicht nur in Schulbüchern griechischer Gymnasien vermittelt sondern auch in so mancher in Schultheater-Aufführung dargestellt.

Diese enge Verbundenheit mit ihrer Heimat, ihrer Kultur und Sprache mündete in die Eröffnung griechischer Kulturvereine. Der Fokus auf eine solide und weiterführende Schulausbildung kam in der Einrichtung griechischer Gymnasien in Deutschland zum Ausdruck.

Diese enge Verbundenheit mit dem Auswanderungsland mag ein Grund dafür sein, dass viele Griechen schon früh ihre Familien nach Deutschland holten oder im Anschluss an ihren hiesigen Aufenthalt nach Griechenland zurückkehrten, um dann ein zweites Mal die Entscheidung zu treffen, Deutschland wieder zu ihrem Lebensmittelpunkt zu machen [2].  

Steigende Arbeitslosigkeit sowie die Ölkrise, die durch rasant steigende Ölpreise seit Oktober 1973 in eine Weltwirtschaftskrisegipfelte, veranlasste das Bundeskabinett im November 1973 zur Verfügung desAnwerbestopps. Griechische Arbeitsmigrantinnen und -migranten, die zunächst für Industrieunternehmen tätig waren, reagierten auf die veränderte Lage durch berufliche Neuorientierung und strebten dem Ideal entgegen, ein eigenes Geschäft aufzubauen. Viele sahen ihre neue Chance im Dienstleistungsgewerbe. Kleine Familienunternehmen wie Restaurants, Lebensmitteläden, Reisebüros und Bauunternehmen prägten bald verstärkt das Stadtbild. So erhöhte sich der Anteil der Selbstständigen unter griechischen Einwanderern in der Bundesrepublik von 3% im Jahre 1976 auf 10% 1982 [3].

Griechische Spezialitätengeschäft
Mit dem Verkauf griechischer Spezialitäten konnte ein gutes Auskommen erzielt werden.

»Im Jahr 1970 war der ›Adler‹ zu vermieten. Ich wollte schon immer selbstständig sein […] Ich habe mit dem ›Adler‹ hier begonnen. Mit der Gastronomie war es, wie wenn ein kleines Kind zu laufen beginnt: Zuerst mit Grill, Souvlaki und Gyros«, berichtete Joannis Halvos über seine ersten Schritte als Selbstständiger in Deutschland [4].


2004 soll es in Deutschland ungefähr 27.000 selbstständige Griechen oder Unternehmer mit griechischen Wurzeln gegeben haben. Das macht 15,5% der gesamten griechischen Bevölkerung in Deutschland aus und liegt damit über dem Prozentsatz der selbstständigen Italiener (13,1%) oder Türken (5,8%). Dank des florierenden Tourismus avancierten griechische Spezialitäten zur deutschen Trendküche. Überall eröffneten nach heimischer Tradition eingerichtete Tavernen und brachten ihren Gästen für einen Abend ein Stück Urlaubserlebnis zurück. Bald hielten Tzatziki, Gyros, Oliven und Olivenöl auch erfolgreich Einzug in deutsche Esszimmer [5].
 

Selbstständige MigrantInnen in Deutschland

 
  Herkunft 
 GriechenItalienerTürken
Nicht deutsche Staatsbürger26.00046.00043.000
Deutsche Staatsbürger1.5003.50017.500
Total27.50049.50060.500
Frauenanteil24,00%19,60%18,60%
Anteil an der ethnischen Gruppe15,50%13,10%5,80%

Quelle: Leicht et al. (2005)

Arbeiten, Geld verdienen, zurückkehren

Sobald genug Erspartes zur Seite gelegt wurde, um sich eine neue Existenz in Griechenland aufbauen zu können, entschieden sich viele zurückzukehren. Die griechischen Bauern, die als Arbeitskräfte einreisten, waren harte körperliche Arbeit gewohnt. Die Anonymität der industriellen Produktion und das Leben in (Groß)-Städten war ihnen aber fremd. Für zahlreiche, sonnenverwöhnte Hellenen war das deutsche Klima, die fremde Sprache und die Mentalität eine starke Herausforderung. Das Heimweh und die Sehnsucht nach dem gewohnten Leben bewog viele zur Rückwanderung [6].

Mit dem stolzen Betrag von 36.000 DM, den er in Deutschland erarbeitete und sparte, kehrte der einstige Landwirt Charalambos Galanidis zu Beginn der 1970er Jahre in das 4000-Seelen-Dorf Agios Athanasios zurück. Das Ersparte sowie die finanzielle Unterstützung der Bank ermöglichte es ihm und seiner Familie, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. In der Ausstattung der Gaststätte fand sich so manch liebevoll arrangiertes Accessoire der einstigen Heimat auf Zeit wieder: Die Musikbox »Festival 130« von der NSM Apparatebau in Bingen am Rhein, eine deutsche Küchenuhr mit Kurzzeitmesser und Werbeplakate für deutsche LKWs. Die ganze Familie arbeitete von morgens bis spät in die Nacht. Für alle seine Landsleute, die damals unter Fernweh litten, hatte Galanidis einen Ratschlag zur Hand:

»Sie verlieren beim Wandern. Sie könnten es hier vielleicht weiterbringen. So aber lassen sie alles zurück, das Haus verfällt, die Felder veröden. Und wenn sie zurück sind, müssen sie ganz von vorn anfangen – das verschlingt dann all ihr Geld« [Der Spiegel 49/1971, S. 118 ff].

Die Mehrzahl der Rückwanderer kehrte jedoch nicht in die Heimatdörfer zurück, sondern ließ sich in Großstädten nieder. Hier fanden sie schneller eine Anstellung oder machten sich selbstständig. Die Ersparnisse, die man zurückbrachte, beliefen sich durchschnittlich auf 64.000 DM. Beträge, die in der Heimat zunächst das Überleben sicherten oder in den Kauf einer Wohnung oder für die Eröffnung eines eigenen Geschäfts investiert wurden [7].

Die erste große Rückwanderungswelle der Griechen erfolgte 1966/67 aufgrund der aufkeimenden Wirtschaftskrise und dem Druck, den die deutschen Behörden auf die Arbeitsmigrantinnen und -migranten ausübten. Die zweite Welle folgte aufgrund des Ölpreisschocks 1973. Auch  die positive politische und ökonomische Entwicklung durch das Ende der Militärdiktatur 1974  bot Anreize, in die griechische Heimat zurückzukehren. Die Zahl der Griechinnen und Griechen in Deutschland reduzierte sich 1973 von rund 400.000 auf ungefähr 300.000 im Jahr 1978. Insgesamt lässt sich feststellen, dass etwa eine Million Griechen zwischen 1950 und 1978 nach Deutschland kamen und davon 800.000 nach Griechenland zurückkehrten. Seit 1978 ging die Fluktuation deutlich zurück, die griechische Arbeitsmigration nach Deutschland behielt aber ihren Charakter der Zu- und Rückwanderung [8].

Immigration und Remigration
Griechische Ein- und Rückwanderung. Das Schaubild gibt die Zahlen des Statistischen Bundesamtes und der des Nationalen Griechischen Statistikamtes wieder.

Obwohl sich in den 1970er Jahren die griechische Wirtschaft erholte, war die Motivation, in die Heimat zurückzukehren, selten ökonomischer Natur. Eine größere Rolle spielte vielmehr das Heimweh oder der Wunsch, die Kinder in Griechenland zur Schule gehen zu lassen. Dennoch bereuten viele der Rückkehrer ihren Entschluss. Mehr als 50% waren nicht zufrieden, nach Griechenland zurückgekehrt zu sein und wanderten oft wieder aus, sobald ihre Ersparnisse aufgebraucht waren. Kinder, die ihren Schulweg in Deutschland begonnen haben, hatten nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen deutschen Schrift zu dem griechischen Alphabet Schwierigkeiten, in griechischen Schulen Anschluss zu finden.

Die Kompetenz der in Deutschland lebenden griechischen Facharbeiter war bei Arbeitgebern ihres Heimatlandes besonders begehrt, doch verliefen die Anwerbebemühungen meist erfolglos. Die Fachkräfte waren wenig motiviert, Deutschland den Rücken zu kehren [9]. Nachdem Griechenland ein Teil der Europäischen Gemeinschaft wurde, nutzten viele Griechen seit 1988 die Freizügigkeit, um regelmäßig zwischen Griechenland und Deutschland zu pendeln [10].

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  1. Sedler 2003, S. 54
  2. Vermeulen 2007 S. 606
  3. Vermeulen 2007 S. 606
  4. Sedler 2003 S. 55 f.
  5. Vermeulen 2008 S. 23
  6. Dietzel-Papakyriakou 2003, S. 22
  7. Vermeulen 2007 S. 607
  8. Vermeulen 2007 S. 606 f.
  9. Vermeulen 2008, S. 21 f.
  10. Vermeulen 2008, S. 21
  11. Dietzel-Papakyriakou 2003, S. 22
  12. Vermeulen 2007 S. 607
  13. Vermeulen 2007 S. 606 f.
  14. Vermeulen 2008, S. 21 f.
  15. Vermeulen 2008, S. 21