Thomas Usleber


»Ich bin ein Deutscher. Bin ich es? Woran wird »Deutschsein« erkennbar? Woran erkennen Menschen, dass ein anderer ein Deutscher ist oder eben keiner? Am Pass? An der Sprache? Am Namen? Am Aussehen?«

— Thomas Usleber


 

In seinem autobiografisch verfassten Buch »Die Farben unter meiner Haut« zeichnet Thomas Usleber die erschütternde Geschichte eines Deutschen auf, der im eigenen Land als Fremder gesehen wird, aber mit Konsequenz und einem unbeirrbaren Glauben dokumentiert, dass nicht die Hautfarbe eines Menschen entscheidend ist, sondern seine Willenskraft und individuelle Persönlichkeit.

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In meinem Leben hat eigentlich immer nur die Farbe meiner Haut eine Rolle gespielt. Ich wurde danach beurteilt, danach behandelt. Und ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es viel wichtiger ist, was unter meiner Haut ist. Ich habe dann irgendwann mal die Stelle geschrieben "Unter meiner Haut schillert ein Regenbogen", weil ich mich eigentlich viel bunter empfinde, viel reicher an Leben, an Ideen, an allem, als das, nachdem ich beurteilt werde. Ich wollte das für mich natürlich auch, weil ich das als ziemlich chaotisch empfand, was ich in welchem Alter wie erlebt habe. Das wollte ich ordnen, wollte was für mich dabei finden, auch eine Identität. Für andere war es mir aber natürlich wichtiger, weil andere hellhäutige Menschen meist gesagt haben, dass es gar nicht so schlimm ist mit einer dunklen Hautfarbe in Deutschland zu leben. Die meisten Menschen haben das als normal empfunden. Obwohl sie selbst einen anders behandelt haben, haben sie immer von sich aus gemeint "das ist ja wie mein Leben". Und man konnte ihnen das gar nicht beibringen - besonders ich nicht als optimistischer, fröhlicher Mensch. Wenn man jetzt nicht dauernd mit einer traurigen Miene durch die Gegend gelaufen ist, haben sie gesagt: "Och, der lacht ja immer, dem gehts ja gut, da ist ja alles in Ordnung". Und das wollte ich auch mal zeigen, dass das Leben mit einer anderen Hautfarbe völlig anders ist in Deutschland als das Leben mit einer hellen Hautfarbe.

»Die meisten Menschen in Deutschland mögen kleine, dunkelhäutige Kinder. Die dunkle Haut und die lockigen Haare machen sie neugierig, sie wollen sie anfassen und ihre Haare fühlen. […] Ich ahnte jedoch noch nicht, dass diese Hautfarbe für all die hellhäutigen Menschen um mich herum eine Besonderheit war. Niemand ließ mich merken, dass sie eine Ausnahmeerscheinung in der Stadt war.«

— Aus: »Die Farben unter meiner Haut«


Thomas Usleber wurde als Sohn einer ungarndeutschen Mutter und eines afroamerikanischen Vaters im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein geboren. Der Vater verließ 1961 die Familie und kehrte in die USA zurück. Die alleinerziehende Mutter konnte dem Jungen und seinem zwei Jahre älteren Bruder nur ein kärgliches Dasein in der kleinen Hinterhauswohnung an der Hauptstraße zwischen den beiden Stadtteilen Idar und Oberstein bieten.

Bis zum Beginn seiner Schulzeit weisen Uslebers Erinnerungen nur positive Erfahrungen auf. Die Menschen mochten das fröhliche, dunkelhäutige Kind. Oft standen er und sein Bruder im Mittelpunkt des Interesses. Auf einer Kinderfreizeit wurden sie sogar mit besonderer Zuneigung und Anteilnahme verwöhnt.

Das trügerische Bild gesellschaftlicher Akzeptanz verlor sich jäh beim Eintritt in die Schule. Hier widerfuhr dem wissbegierigen Schüler erstmals offensichtlicher Rassismus:


»Je älter ich wurde, desto mehr nahm die anfängliche Zuneigung meiner Umgebung ab. […] Ich war dunkelhäutig und vaterlos, eigentlich schon allein Grund genug, von der Idar-Obersteiner Bevölkerung abgelehnt zu werden. Es kam aber noch der Umstand hinzu, der mitunter sogar noch gewichtiger war als die beiden genannten: Wir waren arm.«

— Aus: »Die Farben unter meiner Haut«



»Im Jahr 1966, als ich in die Schule kam, kannte ich schon den Unterschied zwischen dem Leben wohlhabenderer Familien und unserem: nicht immer zu Weihnachten und zum Geburtstag Geschenke zu bekommen, in einer kalten, nur notdürftig eingerichteten Wohnung zu leben, und keinen üppigen Mittagstisch vorzufinden. Mein Bruder und ich schnitten die Bilder von Spielsachen aus dem Katalog und spielten mit den Papierschnipseln, zusammengebundene Stoffreste waren unsere Teddybären. Aber was ich noch nicht kannte, war Ablehnung oder gar Feindseligkeit aufgrund meiner Hautfarbe.«

— Aus: »Die Farben unter meiner Haut«


 

Mehr und mehr ließen Mitschüler aber auch Lehrer oder das Aufsichtspersonal in Ferienfreizeiten die beiden Brüder ihre Ablehnung spüren. Strafen für kleine Vergehen wurden mit unnachgiebiger Strenge geahndet. Keinem weißen Kind wurden so harte Züchtigungen erteilt, keinem in ähnlicher Weise das Recht auf persönliches Eigentum in solch würdeloser Weise entzogen. 


»Was unsere Mutter uns per Post in die Ferienfreizeit sandte, Süßigkeiten, Creme und anderes, wurde offen unter allen Kindern verteilt. Ich erinnere mich noch genau, wie hämisch uns die anderen angrinsten, als sie sogar in den Paketen wühlen durften, die an uns adressiert waren. Umgekehrt haben wir selbstverständlich nie etwas von dem bekommen, was an die anderen geschickt wurde.«

— Aus: »Die Farben unter meiner Haut«


Die Erfahrungen veranlassten die beiden Brüder, sich von der Außenwelt abzuschirmen. Thomas begann, eine Mauer um sich herum zu bauen. »Die Umwelt schleppte mir die Steine in Form ihrer Vorurteile und ihres Hasses an, und ich fügte sie zusammen und zementierte mich zu«. 

Bestärkt von der Mutter, lebte die kleine Familie in ihrer selbst gewählten Isolation. Nachbarn oder Mitschüler wurden im Vorfeld, auch wenn sie ehrliches Interesse hegten, als potenzielle Bedrohung von der Familie ferngehalten.

Thomas Usleber mit seinen eigenen Worten

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Wir waren ja eigentlich ein Dreier-Klüngel, meine Mutter, mein Bruder und ich. Wir waren wie eine Festung. Zu uns konnte niemand durchdringen und wir haben nichts nach außen dringen lassen. Egal was bei uns in der Familie war, wir haben nichts erzählt, wir haben uns nicht geöffnet - niemandem. Das hat übrigens auch mein Halbbruder Aaron, den ich im Buch später erwähne, erzählt. Ich hab ihn mal gefragt, warum er nie erzählt hat, dass er unser Bruder ist. Und er hat gesagt: "Ich kam nicht zu euch durch. Ich hab das sogar teilweise gesagt. Ihr habt das nicht mal wahrgenommen." Es war, ich würde heute sagen, wie eine Gehirnwäsche. Es war wirklich sehr radikal, diese Dreier-Gruppe. Und dass ich aus dieser ausgebrochen bin, haben meine Mutter und mein Bruder bis heute als Verrat angesehen.

Um mit der sozialen Vereinsamung und den Diskriminierungen in früher Jugend zu Recht zu kommen, fand der Schüler Kraft im Glauben:

Thomas Usleber mit seinen eigenen Worten

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In der Zeit habe ich meinen Glauben entwickelt. Wir sind damals immer in die katholische Kirche gegangen und haben abends immer gebetet. Das hat mir sehr viel Halt gegeben, weil ich mir immer gesagt habe, dass Jesus Christus auch kein hellhäutiger Mensch war. Er war auch eher von dunkler Hautfarbe. Das hat mich bestärkt, dass es nichts Schlimmes ist, dunkelhäutig zu sein. 

Der wöchentliche Besuch des Gottesdienstes war stets mit einem Aufenthalt in der Leihbücherei verbunden. Mit fachkundigem Gespür empfahl der Pfarrer, der für die Leitung der Bücherei verantwortlich war, dem wissbegierigen Schüler Jugendbücher preisgekrönter Autoren, die seine Faszination für das Lesen schürte.


Schon bald avancierten Bücher und das Schreiben eigener Geschichten zum einzigen Ausdrucksmittel des damals 13-jährigen Hauptschülers. Die Inspirationen für seine Geschichten entstammten häufig den exotisch-orientalischen Erzählungen und den Wildwestromanen von Karl May, deren Protagonisten eines verband: Freundschaft und Zusammenhalt.

Thomas Usleber mit seinen eigenen Worten

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Karl May zum Beispiel hat immer Personen beschrieben, die sehr kommunikativ waren und sehr viele Freunde um sich herum hatten, das war immer eine riesengroße Familie. Und meine Geschichten waren natürlich dann so ähnlich, weil ich, wie gesagt, von Karl May inspiriert war. Und da ich mich mit dem Ich-Helden auch identifiziert habe, habe ich natürlich dann auch versucht, so langsam selbst so ein Mensch zu werden - also auch Freunde zu gewinnen, kommunikativer zu sein, mich zu öffnen. Ich habe die deutsche Sprache in Wort und auch in Schrift lieben gelernt. Diese Freundschaften und dadurch, wie er die Menschen sah - das hat auch mein Menschenbild geprägt. Und, was viele nicht wissen: Karl May war ja auch sehr christlich. Bei Karl May da kommt ja immer vor, dass er die Menschen gut behandelt, weil es so in der Bibel steht, weil man das so machen muss. Man darf nicht einfach Menschen töten oder mit ihnen schlecht umgehen. Und das hat natürlich zu meinem Weltbild dann gepasst, ich habe ja gesagt, dass ich auch gläubig geworden bin. Und dann Karl May zu lesen, was Zufall war, weil ich ja nicht wusste, dass er auch ein gläubiger Mensch war, das hat dann gepasst. Das Schreiben war für mich sehr sehr wichtig, weil ich in der Zeit schon angefangen habe, mich ein bisschen von meiner Mutter und meinem Bruder zu lösen - weil ich gemerkt habe, dass sie in eine Richtung gehen, die mir nicht geheuer ist. Da wollte ich nicht mit hingehen. Ich hatte aber selbst noch keine Freunde und Bekannte, sodass ich Folgendes gemacht habe: im Nachhinein, damals habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, habe ich, wenn ich Input brauchte, gelesen, und wenn ich was sagen oder aus mir rauslassen wollte, geschrieben. Im Nachhinein betrachtet war das die wichtigste Zeit meines Lebens. 

So sehr die Mutter beide Söhne von der Außenwelt isolierte, war sie dennoch auf die Schulbildung ihrer Kinder bedacht. Doch auch das schulische Fortkommen beider Jungen war durch ihre dunkle Hautfarbe mit Erniedrigungen und Schmerz verbunden. 


»Für meine Mutter war es keine Frage, dass ich auf eine höhere Schule gehen sollte, und so war es für mich auch selbstverständlich. Dann stellte eines Tages die Lehrerin die Frage an die gesamte Klasse, und um sich einen Überblick zu verschaffen, sollten alle aufstehen, die auf die Realschule oder das Gymnasium gehen wollten. Ich stand auf. Plötzlich lachten alle. Die Lehrerin lächelte ebenfalls und sah mich an. Ich stellte fest, dass die ersten beiden Rreihen aufgestanden waren und vereinzelt noch Schülerinnen und Schüler aus den nächsten beiden Reihen. Weiter hinten waren alle sitzen geblieben, dort stand nur einer: ich. Und ich war auch der Anlass zu ihrem Lachen. Trotz dieses Erlebnisses bin ich auf die Realschule gewechselt, habe später das Gymnasium besucht und studiert. Das Lachen von damals hat dabei immer in meinen Ohren geklungen, es hat mich angespornt zu kämpfen und zu beweisen, dass man es auch gegen alle Widerstände schaffen kann!«

— Aus: »Die Farben unter meiner Haut«


Für den Schüler formte sich der Gedanke, es zu schaffen, es allen zu zeigen, zur Lebensmaxime. Eine umfassende Bildung war für ihn das zentrale Mittel für sozialen Aufstieg und Akzeptanz. Seine frühe Affinität zur Literatur und Wissenschaft brachte ihm auch die Werke der Philosophen Immanuel Kant und Arthur Schopenhauer näher:

Thomas Usleber mit seinen eigenen Worten

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Ich hab gedacht, alle Menschen interessieren sich für Philosophie, für Geschichte und für Literatur. Und nur wir, also ich aus der armen Familie, mit meiner Mutter, die keine Bücher hatte, weil wir wirklich sehr arm waren, ich stehe am Rande der Gesellschaft und muss das aufholen. Später habe ich erkannt, dass ich gar nicht so viel hätte aufholen müssen, weil sich ein Großteil der Menschen nicht für diese Sachen interessiert, für die ich mich interessiert habe. In der Philosophie könnte ich wetten, dass 60% der Deutschen noch nie was gelesen haben von Kant oder von Schopenhauer. Aber ich habe gedacht, das müsste man haben, um überhaupt in der Gesellschaft dabei zu sein. Und die Reichen in Anführungsstrichen, die Gebildeten, die gehobeneren Schichten, die kennen sich da überall aus. Und um da irgendwann dazuzugehören, was ich ja immer wollte, ich wollte ja immer weiterkommen im Leben, muss ich das alles nachholen. 

Die neue Geisteshaltung brachte eine instinktive Veränderung in das Leben des Jugendlichen: Er begann, sich anderen Menschen wieder zu öffnen und sie zu akzeptieren. Dabei lehrte ihn die Erfahrung, dass man seitens der anderen nur Akzeptanz erwarten könne, wenn man seine eigene Identität sucht und findet. Identität, Selbständigkeit, Selbstbewusstsein und Wissen kristallisierten sich als Maxime heraus, die das weitere Leben des jungen, dunkelhäutigen Deutschen bestimmten, wenngleich sich häufig Rückschläge und Enttäuschungen in seinen Weg stellten: 

Thomas Usleber mit seinen eigenen Worten

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Oft bin ich von der Schule nach Hause gekommen und habe geweint. Ich habe gesagt: "Ich gebe auf, ich mache das nicht mehr. Warum soll ich das machen? Jetzt haben sie mich wieder ungerecht behandelt oder es sind wieder drei oder vier Jungen über mich hergefallen. Was soll's, ich gehe nicht mehr zur Schule." Es gab viele Momente, in denen ich verzweifelt war und aufgeben wollte. Es ist nicht so gegangen, als hätte ich mit dreizehn Jahren gesagt "Ich mache mich jetzt auf den Weg, jetzt packe ich meinen Rucksack und dann gehe ich los", so wie man das immer in den alten Heimatfilmen sieht. Und dann komme ich irgendwann an und sage "Juhu, ich hab's geschafft!" - so geht das nicht. Es ist schwierig, an sich selbst zu glauben. Bei mir hat das ca. sieben oder acht Jahre gedauert, vom 13. bis zum 20. oder 21. Lebensjahr. Von da an, wo ich gesagt habe, dass ich mich ändern will, bis zum ersten kleinen Erfolg hat es sieben oder acht Jahre gedauert. Und das ist eine lange Zeit und da hören sehr viele Menschen auf dem Weg dahin auf. Und die erreichen es dann nie und sagen dann zu mir: "Du hast bestimmt Glück gehabt, du hast bestimmt Helfer gehabt." Das ist mir oft gesagt worden. Und wenn man mein Buch liest, weiß man: ich hab in der Zeit keinen Helfer gehabt. Und von Glück kann man auch nicht sprechen, wenn man vaterlos in einer armen Familie mit dunkler Hautfarbe in Idar-Oberstein aufwächst. Da kann man wohl kaum sagen, dass ich Glück hatte. Man muss an sich selbst glauben, das ist unabdingbar. Wenn man das nicht tut, schafft man nichts - auch mit den größten Anstrengungen nicht. Man muss an sich selbst glauben und auch an das Ziel, man muss sich natürlich auch Ziele irgendwo setzen. Ich habe mal einen Freund gehabt, der hat auch gesagt: "Ich will es schaffen, genau wie du. Ich will was machen." Und der hat dann irgendwelche Sachen gemacht. Und ich fragte ihn dann irgendwann: "Was ist eigentlich dein Ziel? Wo willst du eigentlich hin? Warum strengst du dich an, das und das zu machen?" Und da wusste er nichts. Er hat also nur ins Blaue hinein irgendwelche Aktivitäten entwickelt. Und das konnte zu nichts führen. Ich sagte zu ihm: "Du musst ein Ziel haben und eine Bestimmung oder etwas, was du erreichen willst oder wie du werden willst, wie du dich selbst siehst, wie du in 20 oder 10 Jahren sein willst und du musst daran glauben. Wenn du das machst, wirst du es höchstwahrscheinlich auch schaffen - wenn du dich nicht beirren lässt. 

Obwohl er immer mehr Einsatz als alle anderen zeigen musste, ging Usleber mit einem klaren Ziel vor Augen den steinigen Weg eines dunkelhäutigen Jugendlichen, der gegen alle Vorurteile ankämpfte. Die Schule schloss er mit Bestnoten ab und studierte. Beruflich ging er den Weg des Beamten im Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt, war als Stadtverordneter tätig und ist heute für die Schulentwicklungsplanung und Sonderpädagogische Förderung beim Schulamt der Mainmetropole verantwortlich.

Diskriminierungen bekommt er auch heute noch zu spüren. Sei es, das man ihn in einem Frankfurter Amt, das er im Rahmen einer Besprechung besuchte, zunächst als Büroboten ansah oder aufgrund der dunklen Hautfarbe seine deutsche Herkunft anzweifelt. Usleber begegnet der Entwicklung mit Konsequenz. Mit einem deutschen und einem amerikanischen Pass in der Tasche entschied er sich, auf die Frage nach seiner Nationalität anzugeben: Ich bin Amerikaner. 

Seit 1987 lebt Usleber mit seine Ehefrau und Tochter im hessischen Dietzenbach. Schon lange hat er Frieden mit seinem Vater in den USA geschlossen und eine neue Familie dazu gewonnen. Von seinen Besuchen in Chicago und den Reisen durch die Weiten der USA zeugen seine eindrucksvollen Impressionen.

Den Begriff »Heimat«, mit dem er als Kind Leere und Zurückweisung verband, hat für ihn im Laufe der Jahre eine besondere Bedeutung erhalten:

Thomas Usleber mit seinen eigenen Worten

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Später dann habe ich Menschen kennengelernt, mit denen ich mich verbunden gefühlt habe. Mit ihnen zusammen habe ich dann so ein Gefühl bekommen, das, denke ich, ähnlich ist wie das, was andere Menschen mit Heimat verbinden.

»Ich stehe heute an einem Punkt, an dem ich zumindest beruflich eines meiner Ziele erreicht habe. Und nun? Ist es an der Zeit, sich zurück zu lehnen und die Früchte zu genießen, um die ich so lange gerungen habe? Der Gedanke daran ist mir fremd. Wie der Sportler, der ein Spiel gewonnen hat, denke ich schon wieder an das nächste Match. Wenn es mir am Beginn meines Weges noch um das Erreichen eines Zieles gegangen ist, so denke ich inzwischen, dass das Wesentliche an allen Zielsetzungen nicht das Ankommen, sondern der Weg selbst ist. “Wichtig allein ist, sich auf den Weg zu machen und durchzuhalten!” Der Weg bringt die Erfahrungen, die Erlebnisse, die Freuden. Am Ende bleibt nur noch der Blick zurück. Es sei denn, man setzt sich neue Ziele. Dann kann man wieder nach vorne blicken und neuen Eifer entwickeln.

Es gibt Menschen, die mir gesagt haben, dass sie nicht verstehen, warum ich immer weiter will, und manche meinen, dass ich mit dem Erreichten nicht zufrieden bin. Aber das ist es nicht. Viel zu lange habe ich immer nach vorne schauen müssen, habe Hoffnungen und Zuversicht, manchmal auch Träume und Illusionen entwickeln müssen, als dass ich jetzt auf einmal den Blick zurückwenden könnte. In der Bibel, einem Buch, das ich schon oft zitiert habe, geboten die Engel dem Lot, bei der Flucht sich nicht umzuschauen, Johannes der Täufer dagegen rief zur Umkehr auf.

Ein wenig von beidem ist notwendig. Bei mir liegt im Blick zurück die Besinnung, woher ich komme. Im Blick nach vorne liegt meine Kraft.«

(Aus: Die Farben unter meiner Haut“)


Buchtitel »Die Farben unter meiner Haut«

Thomas Usleber

Die Farben unter meiner Haut
Autobiografischen Aufzeichnungen
Brandes & Apsel Verlag

In seiner autobiografischen Aufzeichnung »Die Farben unter meiner Haut« will Thomas Usleber bewusst machen, wie schmerzhaft es ist, im eigenen Land nicht als gleichwertiger Mitbürger gesehen zu werden.

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