Rheinland-Pfalz und die Ukraine

Wie hat sich Rheinland-Pfalz seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine verändert?

„Wir alle haben gesagt, nein, es kann keinen Krieg geben. Wir leben doch im 21. Jahrhundert“, sagt die Schülerin Marharyta Yarmola, die mit ihrer Mutter wenige Tage nach Kriegsbeginn im Februar 2022 aus Tscherkassy flüchtete und Aufnahme und eine neue Heimat in Ingelheim fand. 

So wie die beiden Frauen erfuhren bereits im Mai 2022 rund 30.000 Menschen dank des hauptberuflichen und ehrenamtlichen Engagements der Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer Schutz und Unterstützung in Rheinland-Pfalz. Sofortprogramme auf wirtschaftlicher-, sozialer- und Bildungsebene stellten die geschlossene Solidarität unter Beweis. 


Der Arbeitsmarkt

Bei ihren ersten Schritten auf dem rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt erhielten Geflüchtete aus der Ukraine für die Zeit zwischen Juli 2022 und Juni 2023 zielgerichtete und rasche Unterstützung durch das EU-Programm CARE[1].

Das Kohäsionsprogramm finanziert u.a. das deutsche Pilotprojekt „Beschäftigung für Flüchtlinge“, dass Menschen aus der Ukraine im Donnersberg Kreis, in Kusel, Koblenz, dem Rhein-Hunsrück-Kreis, Bernkastel-Wittlich und Bitburg-Prüm Informationen über den deutschen Arbeitsmarkt gibt. Hierbei stehen die Themen Ausbildung, Anerkennung von Berufsabschlüssen, Krankenversicherung, Arbeitnehmerrechte, faire Arbeitsbedingungen und die Gefahren von Schwarzarbeit im Fokus.  

2025 gehen laut Bundesagentur für Arbeit annähernd 300.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland einer Arbeit nach, mehr als 245.000 sind davon sozialversicherungspflichtig beschäftigt[2] . Dennoch gibt es weiterhin große Hürden beim Eintritt in den Arbeitsmarkt die auf mangelnden Sprachkenntnissen und Kinderbetreuungsangeboten beruhen. 


[1]Quelle: Europäische Kommission
[2] Quelle: Tagesschau, Stand 19.03.2025

Verbände

Der Landesfeuerwehrverband Rheinland-Pfalz leistete Unterstützung, indem er dringend benötigte Gerätewagen, Atemschutzgeräte und Feuerlöschausrüstungen an die Feuerwehr von Riwne im Nordwesten der Ukraine übergab. 

In Zusammenarbeit mit dem Landesfeuerwehrverband lieferte die Verallia AG aus Montabaur sowohl an ihr Werk am ukrainischen Standort Zoyra sowie der ukrainischen Feuerwehr im Oblast Odessa Rettungsgeräte, Stromaggregate, Einsatzkleidung, medizinische Geräte und Atemschutzmasken im Wert von rund 200.000 Euro.

Solidaritätspartnerschaften

Von Kriegsbeginn an beschäftigen sich immer mehr Kommunen in Rheinland-Pfalz mit dem Aufbau von Solidaritäts- und Städtepartnerschaften, die einen wesentlichen Beitrag zum kulturellen, wissens- und wirtschaftlichen Austausch, der Demokratieförderung und der internationalen Verständigung leisten.

Inzwischen entstanden zahlreiche Solidaritätspartnerschaften zwischen Kommunen in Rheinland-Pfalz und der Ukraine, welche die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) auf Bundesebene beratend begleitet. 2023 kamen acht neue Partnerschaften hinzu. 

Kultureller Austausch

Im Juni 2023 besuchte auf Einladung von Kulturministerin Katharina Binz das Youth Symphony Orchestra of Ukraine (YSOU) die Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz. Seit 2016 zeigen die 70 jungen Musikerinnen und Musiker im Alter zwischen 12 und 22 Jahren ihr Talent in der Interpretation klassischer Werke aber auch zeitgenössischer ukrainischer Kompositionen. 


„Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist auch ein Krieg gegen die ukrainische Kultur. Kultureinrichtungen sollen gezielt zerstört werden, das dürfen wir nicht unwidersprochen zulassen! Die jungen Musikerinnen und Musiker sind infolge des Angriffskriegs in der Ukraine in unterschiedliche Länder Europas geflohen. Gemeinsame Spielzeiten sind unter diesen Umständen kaum zu organisieren. Deshalb habe ich das Orchester erneut nach Rheinland-Pfalz eingeladen, um ihnen Gelegenheit zum gemeinsame Proben und Auftreten zu geben. In der Landesmusikakademie finden die jungen Musikerinnen und Musiker während ihres Aufenthalts optimale Bedingungen vor.

Ich bin überzeugt, dass die Tournee des Orchesters, die unter dem Motto ‚Vereint für die Zukunft‘ steht, den gemeinsamen Geist für Frieden, Freiheit und Demokratie stärken wird.“ 

Kulturministerin Katharina Binz


Das Orchester wurde auf Initiative der namhaften ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv  gegründet und tritt regelmäßig bei renommierten Festivals und in bekannten europäischen Konzertsälen auf.

Reels „Konzert UKR Orchester Dom“ mit Min. Binz und O-Ton Oksana Lyniv

„Es wurde sehr deutlich, wie wichtig die Arbeit des Orchesters ist. Zum einen für die Identität und die seelische Gesundheit von Ukrainerinnen und Ukrainern. Zum anderen ist das Orchester aber auch ein sympathischer Botschafter seines Landes. Russland versucht die kulturelle Identität der Ukraine auszulöschen. Das gilt es zu verhindern. Daher wird das Kulturministerium Rheinland-Pfalz auch weiterhin künstlerische und kulturelle Maßnahmen fördern, die die Ukraine und speziell auch das nationale Jugendorchester unterstützen.“

Prof. Dr. Jürgen Hardeck, Kulturstaatssekretär des Landes Rheinland-Pfalz


Rolf Ehlers (li.) und Björn Rodday (re.) beim Ausladen der Medikamente in Lviv.

Den Aufenthalt des YSOU förderte das Kulturministerium Rheinland-Pfalz mit 32.651 Euro.  

Um historisches Notenmaterial der ukrainischen „Mykola Lysenko Lviv National Music Academy“ vor möglichen Raketenangriffen zu schützen, setzte sich Rolf Ehlers, Leiter der Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz für die Digitalisierung der Noten ein. Gemeinsam mit Björn Rodday, Manager des Landesjugendchores Rheinland-Pfalz, Sänger, Netzwerker und ehemaliger Arzt trat Ehlers in einem Kleintransporter am 6. Mai 2022 die 36-stündige Reise nach Lviv an.

Im Gepäck professionelle Scanner, Rechner, Medikamente und medizinisches Material. 
 


„Auf der Suche nach Wasseraufbereitungstabletten zeigten sich die Stadtwerke Neuwied äußerst hilfreich und großzügig, indem sie uns ihre Bestände zur Verfügung stellten. Außerdem hatten wir Powerbanks, Desinfektionsmittel und Mückenschutz an Bord. Die Hilfsorganisation „Criya“ half uns mit den Dokumenten für den Grenzübertritt.

Doch auch mit diesen Dokumenten war wieder eine sehr große Portion Sturheit, Hartnäckigkeit und Dreistigkeit vonnöten, um sich über die Anweisungen der Grenzsoldaten hinwegzusetzen und ein stunden- bis tagelanges Warten an der polnisch-ukrainischen Grenze zu verhindern. Am 2. Juli 2023 mittags kamen wir in der Ukraine an und konnten noch vor den Toren Lvivs in einem Lager von Criya die Hilfsgüter übergeben,“

erinnert sich Rolf Ehlers.


Das Ergebnis der Reisen nach Lviv waren neben sehr bewegenden und abenteuerlichen Erlebnissen zahlreiche neue Kontakte, die in einen nachhaltigen und förderlichen Kulturaustausch zwischen der Musikakademie Lviv und Rheinland-Pfalz mündeten.

In seinen Reiseberichten schildert Rolf Ehlers im Detail bewegende Situationen, Erfahrungen inmitten den Kriegs und Projekte, die den rheinland-pfälzisch ukrainischen Kulturaustausch auf eine ganz neue Ebene brachten. 

PDFs zum Herunterladen:

Reisebericht R. Ehlers Teil 1
Reisebericht R. Ehlers Teil 2
Reisebericht R. Ehlers Teil 3

 

Museum für ukrainische Kultur- und Volkskunst

Hilfe für ihre ehemalige Heimat leistete auch Iryna Denys aus Hahnenbach (LK Bad Kreuznach), die seit zwölf Jahren mit ihrem Mann Bernd Hartmann ein Museum für ukrainische Kultur- und Volkskunst betreibt.   

Blick in die Geschichte

Im 19. Jahrhundert avancierte das einstige Kaiserbad Bad Ems zur Sommerresidenz namhafter internationaler Persönlichkeiten aus der Welt des Hochadels, der Politik und der Kunst. Hier begegneten sich Richard Wagner, Fjodor Michailowitsch Dostojewski oder Wassili Wassiljewitsch. 

1876 wurde die Stadt an der Lahn zum Schauplatz schicksalhafter Geschichte. Am 30. Mai unterzeichnete der russische Zar Alexander II. im Vier-Türme-Haus den Emser Erlass, der sich für das Verbot der öffentlichen Verwendung der ukrainischen Sprache im gesamten Russischen Kaiserreich aussprach. 

Gedenktafel der Ukrainischen Gemeinschaft zur Erinnerung an den Emser Erlass. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurden in Bad Ems ein Hinweisschild auf die historische Stätte und ein ukrainisches Wappen entfernt. Vermutet wird dahinter politischer Vandalismus 

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