Der Vietnamkrieg
Vietnam grenzt im Norden an China, im Westen an Laos und Kambodscha und im Süden und Osten an den Golf von Thailand. Mit einer Fläche von 331.210 km2 ist die „Bambusstange mit zwei Reisschalen", wie der Küstenstaat aufgrund seiner fruchtbaren Reiskammern genannt wird, mit der Größe Deutschlands vergleichbar.
Seit dem Eintreffen der ersten Europäer im 17. Jahrhundert, die sich vorwiegend am Roten Fluss im Norden und am Mekong-Delta im Süden niederließen, bestimmten vor allem die Franzosen mit wachsendem Einfluss das Schicksal der kaiserlichen Nguyen-Dynastie. Von 1883 an steht gesamt Vietnam unter französischer Kolonialherrschaft, die mit Tee, Kaffee und Kautschuk den Export zum Blühen bringt. Auf Kosten der ausgebeuteten Bevölkerung, deren Auflehnung man blutig niederschlägt. Um das beginnende 20. Jahrhundert formieren sich vietnamesische, nationalistische Freiheitskämpfer verstärkt zum Widerstand. Die Proteste wachsen in den 1920er und 1930er Jahren. Die Aktionen erfolgen jedoch sehr unkoordiniert, sodass sie erfolglos bleiben.
Mit der Besetzung japanischer Truppen im Mai 1941 muss sich Vietnam gegen zusätzliche Machthaber zur Wehr setzen. Erst 1941 sollte die Basis für den organisierten Widerstand durch die Gründung der „Kampffront für ein unabhängiges Vietnam“, der so genannten Viet Minh durch den vietnamesischen Revolutionär und späteren Politiker Ho Chi Minh geschaffen werden, dem es gelingt, 40 kleinere Widerstandstruppen zu einer Widerstandbewegung zu vereinen. Unterstützung findet die Organisation durch China sowie die USA einschließlich ihres Geheimdiensts Office of Strategic Services (OSS).
Erstmals ist eine organisierte, politische Gruppierung im Kampf gegen die französisch-japanische Doppelherrschaft geschaffen, die in ihrer fünfjährigen Regierungsgewalt bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 mit ihren Forderungen nach immer mehr Nahrungsmitteln eine katastrophale Hungersnot heraufbeschwört, der rund zwei Millionen Menschen zum Opfer fallen.
Am 2. September 1945 ruft Ho Chi Minh vor mehreren hunderttausend Menschen in Hanoi die Demokratische Republik Vietnam als erste unabhängige Republik Südostasiens aus.
Frankreich versucht, seine Kolonialmacht aufrechtzuerhalten. Nach mehreren Auseinandersetzungen zwischen den Vietnamesischen Streitkräften und französischen Truppen sowie deren Angriff auf die Stadt Hai Phong bricht im November 1946 der erste Indochina-Krieg aus.
Am 14. Juni 1949 bildet sich im Süden Vietnams eine antikommunistische, loyal zu Frankreich stehende Gegenregierung zu den Viet Minh. Vietnam wird zum Objekt des Kalten Krieges. Die westlichen Mächte Großbritannien, USA sowie die Vereinten Nationen erkennen den Staat Vietnam im Süden an, während sich China und die Sowjetunion für die Regierung des kommunistischen Nordens unter Ho Chi Minh aussprechen.
Die Teilung Vietnams
1954 siegen die Truppen der vietnamesischen Unabhängigkeitsbewegung Viet Minh in der Schlacht um die französische Dschungelfestung Dien Bien Phu. Die Ära französischer Kolonialmacht ist beendet. Am 21.Juli 1954 kommt es als Ergebnis der Indochinakonferenz in Genf, an der China, die Sowjetunion, Frankreich, Vietnam, Laos und Kambodscha teilnehmen, zur Teilung Vietnams entlang des 17. Breitengrads. Das Land zerfällt in ein kommunistisch regiertes Nordvietnam mit der Hauptstadt Hanoi, das China und die Sowjetunion mit Waffen protegieren. Die antikommunistische Militärdiktatur in Südvietnam mit der Hauptstadt Saigon unter der Führung des letzten vietnamesischen Kaisers Bao Dai findet seitens der USA Unterstützung. Doch militärische Auseinandersetzungen und unbeugsame Ideologien zwischen dem Norden und dem Süden lassen das gebeutelte Land weiterhin nicht zur Ruhe kommen.
Die Intervention der Großmacht USA
1964 nehmen die USA den fingierten Zwischenfall im Golf von Tonking, bei dem nach Angaben der United States Navy nordvietnamesische Schnellboote zwei US-amerikanische Kriegsschiffe mehrmals ohne Anlass beschossen haben sollen zum Anlass, Nordvietnam zu bombardieren. Damit begründet die US-Regierung unter Präsident Lyndon B. Johnson ihre Tonkin-Resolution. Diese fordert das direkte Eingreifen der USA in den seit 1956 andauernden Vietnamkrieg und legalisiert nach ihrer Annahme im US-Kongress von 1965 bis 1973 alle Kriegsmaßnahmen der USA. Dieser so genannte Zweite Indochina Krieg geht als das verheerendste Gefecht in die Geschichte Vietnams ein.
Das Ende des Vietnamkrieges
Bis Anfang 1968 hatten die USA ihr Truppenkontingent auf über eine halbe Million Soldaten aufgestockt. Trotz ihrer technologischen Übermacht gelingt es nicht, die Guerillaorganisation Viet Cong, die in Südvietnam den bewaffneten Widerstand gegen die Regierung und das amerikanische Militär führt, zu besiegen.
Diese Niederlage sowie der Druck der internationalen Protestbewegung und die wachsende Anti-Kriegsstimmung im eigenen Land führen nach dem Pariser Waffenstillstandsabkommen von 1973 zum Abzug aller US-Truppen.
Von 1955 bis 1973 ist Vietnam unter Beteiligung der USA Schauplatz für einen Krieg von unvorstellbarer Brutalität. Die Zahl der von den Amerikanern über Vietnam abgeworfenen Bomben übertrifft die gesamte Bombenlast des Zweiten Weltkriegs um ein Vielfaches. Nach Schätzungen fordern die Gefechte auf Seiten der USA und Vietnams insgesamt drei Millionen Tote, davon ca. zwei Millionen Zivilisten, sowie rund drei Millionen Verwundete.
Südvietnam gelingt es ohne die Hilfe der US-Streitkräfte nicht, die nordvietnamesische Armee aufzuhalten. Am 1. Mai 1975 erobert der Viet Cong die südvietnamesische Hauptstadt Saigon, die bedingungslos kapituliert. Mit dem Sieg des kommunistischen Nordens endet der Vietnamkrieg und hinterlässt ein zerstörtes Land mit einer ruinierten Wirtschaft. Für die USA und ihre Militärs endet der verlorene, grausame Krieg mit einem persönlichen und nationalen Trauma.
Am 2. Juli 1976 schließen sich Nord- und Südvietnam zur „Sozialistischen Republik Vietnam“ zusammen. Die Vereinigung beider politisch und wirtschaftlich konträrer Systeme führt zu einem neuen, innervietnamesischen Konflikt. Mit aller Härte zwingt Nordvietnam dem Süden seine Ideologie auf. Hunderttausende Südvietnamesen werden in Umerziehungslager verschleppt. Der kapitalistisch orientierte Süden muss sich der Planwirtschaft des Nordens anpassen.
Hungersnot, Wirtschaftskrise und Verfolgung durch das Regime veranlassen hunderttausende Verzweifelte zur Flucht. In einer ersten Fluchtwelle verlassen die Menschen auf dem Landweg ihre Heimat und suchen Schutz in den angrenzenden Staaten China, Kambodscha und Laos, die den Geflüchteten jedoch wenig Perspektive bieten. In einer zweiten Fluchtwelle versuchen ab 1978 mehr als 1,5 Millionen Vietnamesinnen und Vietnamesen aller Altersgruppen und sozialer Schichten in unzähligen, überfüllten Booten über das Südchinesische Meer nach Malaysia, Indonesien, Singapur oder Hongkong zu gelangen.
Längst sind jene "Boat People" zum Synonym für alle Flüchtenden geworden, die auch heute auf dem Seeweg Krieg, Verfolgung, Folter und Hungersnot in ihren Heimatländern zu entrinnen versuchen.