„Lebenswege“, das Online-Migrationsmuseum Rheinland-Pfalz kommt an eure Schule! Mit spannenden Themen, Menschen und Aktionen
Bereits zum zweiten Mal war „Lebenswege“ am Technischen Gymnasium BBS T1 in Ludwigshafen zu Gast und organisierte gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern einen für alle spannenden Vormittag, der mit einer Diskussionsrunde begann und sich in moderierten Vertiefungsgruppen fortführte.
Die Highlights des Schulworkshops an der BBS T1 haben wir mit der Kamera für euch eingefangen.
Video zur Veranstaltung
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Der Tag startete mit einer Premiere der ganz besonderen Art...
Wie cool es ist, Moderatorin und Moderator zu sein!
Das Headset sitzt. Ein letzter Soundcheck. Noch ein kurzer Blick auf die Moderationskarten und los geht`s. Für Güzel Sarican und El Rafet Saciri startet ein spannender Vormittag. Zum ersten Mal sind die Schülerin und der Schüler der Jahrgangsstufe 12 des Technischen Gymnasiums BBS T1 in Ludwigshafen als Moderatoren einer Talkrunde im Einsatz. Ein wenig Lampenfieber ist schon dabei, als sie die professionell eingerichtete Bühne im Veranstaltungssaal ihrer Schule betreten, um ihre Interviewpartnerinnen und -partner zu begrüßen. „In der Vielfalt der Kulturen: Bist du, wer du bist?“ ist das Thema des Tages, das die beiden mit ihren Lehrerinnen und Lehrern in nur wenigen Wochen gemeinsam mit den Verantwortlichen des Online-Migrationsmuseums „Lebenswege“ erarbeitet haben.
Erwartungsvoll sehen die beiden der nächsten Stunde entgegen, in der sie vieles aus dem bewegten Leben ihrer Gäste Silva Burrini und Tri Tin Vuong, den beiden Zeitzeugen aus dem Online-Migrationsmuseum „Lebenswege“, erfahren werden. Auch von der jungen Sängerin und Songwriterin Merve Uslu, die ihre türkischen Wurzeln einfühlsam in vielen ihrer Songs zum Thema macht und von ihrem einstigen Schülerkollegen Omar Ali, der mittlerweile Sportjournalismus studiert und vor Jahren mit seiner Familie aus dem Irak nach Ludwigshafen flüchtete.
„In der Vielfalt der Kulturen: Bist du, wer du bist?“
Warum jedoch haben sich die Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler gerade für diesen Leitsatz des Tages entschieden? Für die BBS T1 ist die Frage nach Identität ein wesentliches Alltagsthema. Rund 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler stammen aus 50 verschiedenen Herkunftsländern. Viele davon sind in Deutschland geboren, haben einen deutschen Pass, doch hängt ihr Herz auch an dem Land ihrer Eltern und Großeltern. Sie stellen sich die Frage nach ihrer Heimat, nach ihren Wurzeln, nach ihrer Zugehörigkeit und gesellschaftlichen Akzeptanz.
Diesen Aspekt betonte Integrationsministerin Anne Spiegel in ihrem Grußwort:
„Gerade als Heranwachsende stellt man sich oft die Frage nach dem Woher. Deshalb freue ich mich, dass wir mit „Lebenswege“ an einer Schule zu Gast sind, für die Identität und Migration wesentliche Alltagsthemen sind.“
Welche Chancen und Möglichkeiten in unserer multikulturellen Gesellschaft die Diskutierenden sehen, auf welche Erfahrungen, Gefühle, Wünsche und Gedanken sie zurückblicken, darauf waren Ministerin Anne Spiegel und auch BBS T1 Schuldirektor Mirko Taus, Hannele Jalonen Beauftragte für Integration und Migration Ludwigshafen und ADD Repräsentant Jürgen Hegmann, Neustadt, sehr gespannt (Foto: von links nach rechts).
„Was wäre wenn...“
…singt Merve Uslu in ihrem Song und stellt damit die zentrale Frage: Was wäre unsere Gesellschaft, wenn nicht etwa die Menschen aus Italien, der Türkei, Griechenland oder Spanien im Zuge der Anwerbeabkommen ab 1955 zu uns gekommen wären? Sie unterstützten unsere boomende Wirtschaftswunderzeit und brachten ein Stück ihrer Kultur mit nach Deutschland, die schon lange Selbstverständlichkeit unseres heutigen Alltagslebens ist.
Silva Burrini
In den frühen Jahren der Anwerbeabkommen kam die „Lebenswege“-Zeitzeugin Silva Burrini nach Deutschland. Es war das Jahr 1959, als die damals 17-jährige ohne Sprachkenntnisse in das unbekannte Deutschland reiste. Die wenigen Sozialkontakte, das aufflammende Heimweh und die Herausforderungen alltäglicher Kleinigkeiten waren eine harte Herausforderung für die mutige und couragierte Italienerin.
„Meine Wurzeln sind in Italien, doch wenn ich in Italien bin, vermisse ich Ludwigshafen und die Menschen, die mir am Herzen liegen“, sagt sie mit voller Überzeugung.
Auf ihrem folgenden Lebensweg in Deutschland leistete sie ab 1963 bei der Caritas in Freiburg wertvolle Hilfestellung für ihre Landsleute, die wie sie einst ohne Sprach- und Landeskenntnisse im Rahmen der Anwerbung nach Deutschland kamen. 1973 kehrte sie nach Italien zurück und studierte Sozialwesen. Mit all ihrem Wissen und ihren Erfahrungen entschied sich Burrini 1979 für eine Stelle bei der Caritas in Ludwigshafen. Noch heute setzt sie sich mit Herzblut und Energie durch ihre Hausaufgabenbetreuung für die Integration italienisch stämmiger Kinder in das deutsche Bildungssystem ein.
Tri Tin Vuong
Über seine dramatische Flucht aus Saigon, das Willkommen in Deutschland und sein Leben als Wahlpfälzer in Landau berichtete der „Lebenswege“-Zeitzeuge Tri Tin Vuong, der 1986 als damals so genannter Boatpeople nach Deutschland kam. Der heute 46-jährige besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft, ist im Beirat für Migration und Integration der Stadt Landau tätig, engagiert sich in verschiedenen Kultureinrichtungen, arbeitet bei der Deutschen Bahn in Frankfurt und studiert neben seinem Beruf an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie in Karlsruhe.
„Mein Herz schlägt für Deutschland“, sagt Tri Tin Vuong. Dass er seine Art zu denken und zu handeln hierdurch spürbar veränderte, hat ihm seine Familie schon häufig gesagt.
Merve Uslu
Merve Uslu studiert Ethnologie und Soziologie an der Universität Heidelberg und ist ehrenamtlich als Migrations- und Flüchtlingshelferin aktiv. Sie tritt als Solosängerin auf und schreibt ihre Songs selbst: auf Türkisch, Englisch oder Deutsch. Sie mag es, Sprachen miteinander zu vermischen. Es ist ihr wichtig, ihre türkischen Wurzeln zu kennen und zu ihnen zu stehen. Ihre Großeltern kamen 1964 als Gastarbeiter nach Deutschland. In ihrem Song „Was wäre, wenn…“, den sie am Ende der Schulveranstaltung sang, setzt sie sich intensiv mit der Erinnerungskultur, den Identitäts- und Herkunftsfragen von Migrantenfamilien und auch ihrer eigenen Familie auseinander.
Omar Ali
Es gab sehr viele Situationen, in denen sich Omar Ali in Deutschland diskriminiert fühlte. Vor Jahren floh der 26-jährige mit seiner Familie aus dem Irak, fand in Ludwigshafen eine neue Heimat und Freunde. Häufig schon stellte sich Omar die Frage nach seiner Identität und Zugehörigkeit. Diese Herausforderungen motivierten ihn dazu, zielgerichtet seinen Weg zu gehen, was er den anwesenden Schülerinnen und Schülern gegenüber zum Ausdruck brachte.
Ihr möchtet noch etwas mehr zu Merve und Omar erfahren!? Dann schaut doch einmal auf youtube. Dort könnt ihr die beiden bei „Meine Story, Deine Story“ sehen. Für die Sendung haben beide auf dem roten Sofa im alvivi-Studio Platz genommen, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen und ihre Sicht auf Traditionen, Heimatgefühle, İdo Tatlıses oder Helene Fischer zu teilen. (Quelle: alvivi, das Info-Portal für Flüchtlinge, Migranten und Helfer in Ludwigshafen. Einer Initiative von medien&bildung).
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Austausch in Vertiefungsgruppen
Es waren intensive Aussagen zu Fragen nach Identität, gesellschaftlicher Zugehörigkeit und den Potenzialen bi-kultureller Wurzeln, die sich aus der Diskussionsrunde ergaben.
So, wie es die Gesprächspartner*innen von Güzel Sarican und El Rafet Saciri an diesem Vormittag berichteten, geht es vielen jungen Menschen, deren Familien aus anderen Herkunftsländern kommen oder die selbst in einem anderen Land geboren wurden und heute in Deutschland leben. Sie müssen sich immer wieder mit der Frage nach ihrer Zugehörigkeit und ihrer Werte auseinandersetzen. Sei es aufgrund ihres sichtbaren Äußeren, das einen anderen Kulturkreis widerspiegelt, ihrer Sprachkompetenz, Religionszugehörigkeit oder einem unserer Gesellschaft unterschiedlichen Sozial- und Familienverständnisses. Sie sind auf der Suche nach ihrer Identität, ihrem Verständnis von "Heimat" und ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz.
»Es kommt nicht darauf an, woher man kommt, sondern wohin man möchte.«
— Integrationsministerin Anne Spiegel
In den Vertiefungsgruppen, die sich an die Diskussionsrunde anschlossen, konnte man sich noch einmal mit Silva Burrini, Ti Tin Vuong, Omar Ali und Merve Uslu in kleinen Arbeitsgruppen austauschen.
Ihre ganz persönlichen Erfahrungen, Erkenntnisse und Meinungen schrieben die Jugendlichen auf Karten und hefteten sie am Ende des Workshops zum Anschauen für alle an Pinnwände.
Und was war letztlich eines der maßgeblichen Ergebnisse des Tages? Dass man aus negativen Erlebnissen neue Kraft schöpfen sollte.