Prof. Karl-Heinz Meier-Braun

Ramadan-Feier im Kölner Dom

Vorwort zur Publikation »Die Anwerbung von Arbeitskräften aus der Türkei«

1961, als das Anwerbeabkommen mit der Türkei abgeschlossen wurde, prägten nicht nur Stereotype und Vorurteile das Bild von den Türken und ihrem Land. Darauf hat Karin Hunn bereits in ihrer Dissertation und ihrem Buch über die Geschichte türkischer Gastarbeiter hingewiesen, wozu sie jetzt ein wichtiges Policy Paper mit aktuellen Bezügen vorlegt. Die Türken kamen mit einem fast schon idealisierten Bild von deutschem Fleiß und deutscher Gründlichkeit an Rhein und Ruhr. In Deutschland herrschte eine teilweise aufgeschlossene und tolerante Haltung gegenüber den türkischen Muslimen. Das lässt sich an der Zeitungsberichterstattung ablesen, aber auch an einer Ramadan-Feier im Kölner Dom am 3.Februar 1965, »ein Tag, der Religionsgeschichte gemacht hat«, wie die Tageszeitung damals schrieb.

»In den nördlichen Seitenschiffen des Doms feierten mehrere hundert Mohammedaner«, wie es im Zeitungsbericht hieß, das Ende des Fastenmonats. »Muselmanen beten im Kölner Dom«, so die Überschrift in der ZEIT. Wenn man der Sache aber genauer nachgeht, sieht man, dass Kölner Lokale gleichzeitig den fast 2.000 Türken in der Domstadt den Zutritt verweigerten. Schilder hingen an den Kneipentüren: »Wegen Schwierigkeiten mit ausländischen Gästen für Türken Lokalverbot«.

Die ZEIT beendete ihren Bericht wie folgt: »Das ist die Wirklichkeit 1965, Theorie und Praxis der Nächstenliebe, das ist die Spanne zwischen Konzil und Köln: Die Kirche reißt jahrhundertalte Mauern nieder, die Bürger selber richten sie wieder auf.«

Trotzdem sind schon frühzeitig weitere Anzeichen von Toleranz und Respekt gegenüber den türkischen Gastarbeitern zu verzeichnen. So richtete beispielsweise Daimler-Benz bereits 1968 einen Gebetsraum für die 1.700 muslimischen Mitarbeiter ein, die in Stuttgart-Untertürkheim beschäftigt waren. Rückblickend hat es schon immer beides gegeben:

Verständnis und Ablehnung – auf beiden Seiten. Alles in allem haben wir aber mit Türken und anderen Migranten jahrzehntelang – wenn auch ohne große Konflikte – nebeneinander her gelebt. Die früheren Gastarbeiter in einer Rückkehrillusion, Deutschland mit der Lebenslüge »Wir sind kein Einwanderungsland«.

Erst in den letzten zehn Jahren hat sich das geändert, nach offizieller Lesart der Politik sind wir nun ein Einwanderungsland, auch wenn es vielleicht noch nicht alle begriffen haben. Was wünscht man sich zum fünfzigjährigen Jubiläum des Anwerbeabkommens mit der Türkei? Nun, wieder so etwas wie eine Ramadan-Feier bei nächster Gelegenheit im Kölner Dom oder in einem vergleichbaren Gotteshaus, das wäre schon ein starkes Signal nach all den Jahren.


Portrait Karl-Heinz Meier Braun

Vorwort zur Publikation »Die Anwerbung von Arbeitskräften aus der Türkei».
Der Autor Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun ist Leiter der Redaktion SWR International und Integrationsbeauftragter des Südwestrundfunks.