Die lange Geschichte der deutsch-türkischen Beziehungen

Osmanische Miniatur von Osman I.
Osman I. gilt heute als der Namensgeber und Begründer des Osmanischen Reiches.

Die historischen Verbindungen zwischen Deutschland und der Türkei reichen bis in das 11. Jahrhundert zurück. Seit jener Zeit war das Verhältnis der deutsch-türkischen Beziehungen im europäischen Kontext von unterschiedlichsten Motivationen geprägt. Einerseits warfen Rivalität, religiöse Auseinandersetzungen und gegenläufiges Machtstreben ihre Schatten voraus, andererseits prägten enge kulturelle, militärische und soziale Verbindungen die historischen Ereignisse.

Von Türkenmadonnen, Beutetürken und »La Turquerie«

Aus europäischer Sicht schien seit dem Einfall der Mauren in Spanien und durch das Scheitern der Kreuzzüge das christliche Abendland durch den Islam bedroht. Dieses mittelalterliche Bedrohungsszenario verstärkte sich durch die Expansionen des Osmanischen Reiches, das im Ausland oft als »Türkisches Reich« beschrieben wurde [1].

Darstellung der Ausdehnung des osmanischen Reiches im 17. Jahrhundert
Karte des Osmanisches Reiches in seiner größten Ausdehnung am Ende des 17. Jahrhunderts.

In immer neuen Eroberungsfeldzügen versuchten die Osmanen im 15. bis 17. Jahrhundert ihren Machtbereich zu erweitern. Die militärischen Angriffe waren eine Gefahr für die etablierten Mächte Zentraleuropas und des Mittelmeers und damit auch für die katholische Kirche. Der Kampf gegen die Türken wurde deshalb immer als weltanschaulich-politischer Kampf des Christentums gegen den Islam stigmatisiert. Um den christlichen Abwehrkampf zu unterstützen, versuchte die Kirche ihre Gläubigen mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Ungläubigen zu mobilisieren [2]. Merkmale dieser Propaganda finden sich heute noch in Rheinland-Pfalz: das Türkenkreuz zu Beller, die Madonna vom Siege zu Kirchsahr, das ehemalige Gnadenbild zu Waldorf und die Türkenmadonna zu Ahrweiler [3].

Hintergrund dieser Anstrengungen war nicht nur das militärische Vordringen der Türken, sondern auch die Tatsache, dass das Osmanische Reich ein moderneres Sozialsystem vorweisen konnte, hinter dem das europäische Feudalsystem zurückstand. Die islamischen Herrscher besteuerten ihre Untertanen gerechter und agierten weniger willkürlich als ihre christlichen Konkurrenten. Vielfach unterwarfen sich deshalb christliche Bauern bereitwillig den neuen Herren oder wanderten in osmanisch beherrschte Gebiete ab [4]. Die christliche Agitation gegen die Osmanen prägte lange das Bild, das man sich im Westen von den Türken machte. In sogenannten »Türkenpredigten« geißelte man den Feind als mordlüstern und grausam. Ein Beispiel aus dem 16. Jahrhundert:

»Es gibt unter dem Himmel keine schimpflicheren, grausameren und frecheren Bösewichter als die Türken, welche kein Alter und Geschlecht schonen und ohne Barmherzigkeit Jünglinge und Greise niedermetzeln und die aus dem Schoß der Mütter noch unreife Frucht herausreißen«[5]

Erst nachdem die christlichen Heere seit dem 17. Jahrhundert endgültig die militärische Oberhoheit gewonnen hatten, verblasste das religiöse »Türkenbild«.

Die Siege der westlichen Allianzen, insbesondere auf dem Balkan, führten aber dazu, dass eine größere Anzahl an türkischen Personen nach Deutschland gelangte. Diese sogenannten »Beutetürken« waren nichts anderes als Kriegsgefangene und Zivilpersonen, die man mit Gewalt verschleppt hatte. Zahlreiche Fürsten schmückten sich aus Prestigegründen mit dieser »exotischen Beute«, um ihr Hofleben zu bereichern [6]. 

Mit ihnen fand aber auch ein kultureller Austausch statt, der sich vor allem im Kunsthandwerk, wie auch in der Architektur als »La Turquerie« niederschlug. Prächtigster Ausdruck dieses Stils war der Bau der »Moschee« im Park des Schwetzinger Schlosses.

Allerdings war diese Bewunderung der türkischen Kultur kaum mehr als eine romantische Schwärmerei für die Faszination des Orients. Eine wirklich tiefer gehende Auseinandersetzung mit der Türkei und seiner Bevölkerung fand nicht statt [7].

Eindrücke:

Fotografie der Türkenmadonna (schwarzweiss)
Die Türkenmadonna zu Ahrweiler.
Ansicht der Roten Moschee, davor ein angelegter Teich und Menschen
Die »Rote Moschee« ist der erste und größte Bau dieser Art in einem deutschen Park. Sie wurde von 1778 bis 1785 von dem lothringischen Baumeister Nicolas de Pigage als ästhetisch-dekoratives Bauwerk errichtet und zählt zum jüngsten Teil der Schwetzinger Gartenanlage.
Fotografie des Zierfeldes mit rot-grauen Farben und goldener Inschrift
Zierfeld mit arabischer Inschrift.

Deutsch-türkische »Waffenbrüderschaft«

Die Türkenmode der »La Turquerie« endete zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Dazu beigetragen hatte der Unabhängigkeitskrieg der Griechen gegen die Osmanen zwischen 1821 und 1829. Die Deutschen, die kurz zuvor in den »Befreiungskriegen« gegen das napoleonische Frankreich gekämpft hatten, identifizierten sich mit den nach Freiheit strebenden Griechen. Besonders bei Intellektuellen wie den Dichtern Goethe, Müller und Schefer war Kampf gegen den osmanischen Unterdrücker populär [8].

Landkarte mit eingetragenem Verlauf der Bagdadbahn
Karte der Bagdadbahn und geplanter Erweiterungen, Stand 1918.

Erst unter der Regierungszeit des Deutschen Kaisers Wilhelm II. rückte das
Osmanische Reich erneut in den Fokus der deutschen Aufmerksamkeit. Es waren primär außenpolitische, strategische und wirtschaftliche Gründe, die die Türkei für Deutschland interessant machten. So arbeiteten Deutsche und Türken gemeinsam am Bau der legendären Bagdadbahn von Konya aus in die Provinzen des Osmanischen Reiches, um es wirtschaftlich zu erschließen, aber auch um strategisch wichtige, schnelle Truppenverschiebungen zu ermöglichen.

Schwarsweiss-Aufnahme der Bagdadbahn mit Dampflok
Die 1.600 Kilometer lange Eisenbahnstrecke wurde in den Jahren 1903 bis 1940 errichtet. Die Bagdadbahn ist eine ingenieurtechnische Meisterleistung und eines der aufwändigsten Infrastrukturprojekte jener Zeit.

Dies war im Rahmen der langsam einsetzenden deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft wichtiger geworden, die ab 1882 einsetzte. Zuvor hatten mehrere Militärmissionen, die bekannteste unter dem preußischen Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke, das osmanische Heer modernisiert, was nicht zuletzt zu einer Intensivierung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern führte.

Die Waffenbrüderschaft ließ beide Staaten als Bündnispartner enger zusammenrücken, führte aber das Osmanische Reich letztlich in eine nationale Katastrophe. Als Verlierer des Ersten Weltkriegs musste es weite Gebietsverluste hinnehmen.

Insel im Sturm – Die Türkei, Fluchtpunkt für Verfolgte

Porträt Mustafa Kemal
Mustafa Kemal (1881–1938), seit 1934 Atatürk, war der erste Präsident, der nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Osmanischen Reich hervorgegangenen Republik.

Die deutsch-türkischen Beziehungen wurden in den Wirren der Nachkriegszeit erst einmal von innerstaatlichen Problemen überlagert. Erste Annäherungen fanden 1924 statt. Am 3.März jenes Jahres trat ein Freundschaftsvertrag in Kraft, dem 1932 ein wirtschaftliches Abkommen folgte. Deutschland war nun Hauptexport- und Importland der Türkei [9].

Mit Beginn der NS-Diktatur in Deutschland begann ein neues Kapitel: die Türkei wurde in dieser Zeit Anlaufstelle für viele Verfolgte des nationalsozialistischen Regimes. Mehrere hundert Deutsche flüchteten in die Türkei, wo sie die Jahre des Dritten Reichs unbeschadet im Exil überlebten.

Der Begründer der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, empfing sie mit offenen Armen. Mit ihrer Hilfe konnte er einige Reformen in der Türkei umsetzen. Als Synonym für diese Fluchtbewegung ist der Begriff »haymatloz« in die türkische Sprache eingegangen [10].

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Quellenangaben

  1. de.wikipedia.org/wiki/Osmanisches_Reich
  2. oops.uni-oldenburg.de/volltexte/1999/697/pdf/kap1.pdf
  3. Leo Stausberg, Türkenmadonnen im Kreise Ahrweiler, Eine Studie zur Heimat- und Weltgeschichte, Website
  4. Ebd.
  5. oops.uni-oldenburg.de/volltexte/1999/697/pdf/kap1.pdf 
  6. Ernst Petrasch, Die Karlsruher Türkenbeute
  7. Siehe dazu: La Turquerie 
  8. Richard Clogg: Geschichte Griechenlands im 19. und 20. Jahrhundert. Ein Abriss. Romiosini, Köln 1996 und Gero von Wilpert, Die 101 wichtigsten Fragen – Goethe 2007, S. 139.
  9. Meilensteine der deutsch-türkischen Beziehungen / Deutsch-Türkische Gesellschaft