Wie belebt Migration unsere Demokratie?

(Mit Unterstützung des Beauftragten der Landesregierung Rheinland-Pfalz für Migration und Integration, Miguel Vicente)

Die Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund ist ein Indiz für die Chancengleichheit in einer funktionierenden Demokratie. Vor allem aber kann ihre Präsenz zu einer höheren Anerkennung unter den Bürgerinnen und Bürgern führen, die eine solche Biographie teilen und sich nun besser vertreten fühlen. Es kann also ein Gefühl des Vertrauens und der Identifikation mit den Institutionen entstehen, welche fundamental für eine Demokratie sind.[1]

Eine Demokratie sollte den Anspruch haben, Menschen mit Migrationshintergrund auch in den gewählten Versammlungen adäquat zu repräsentieren. Im Jahr 2018 hatten rund 20,8 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund.[2] Dies entspricht einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 2,5 % (2017: 20,3 Millionen).


»Demokratie ist ein lebendiger Prozess und nur erfolgreich, wenn alle aus der Gesellschaft die Chance haben, Verantwortung zu tragen, das Zusammenleben gemeinsam zu gestalten und Gehör und Respekt für ihre Bedürfnisse finden.«

— Integrationsmininisterin Anne Spiegel


Mehr als zehn Millionen Menschen aus anderen Herkunftsländern allerdings sind in Deutschland von der Bundestags- und Landtagswahl ausgeschlossen (Stand 2017) weil sie keinen deutschen Pass besitzen. Der demokratische Grundsatz: Wer dauerhaft von politischen Entscheidungen betroffen ist, darf nicht dauerhaft von demokratischer Mitbestimmung ausgeschlossen werden, sollte unser Handeln leiten. Eine Beseitigung dieses Demokratiedefizits ist für die Stärkung unserer demokratischen, offenen Gesellschaft von besonderer Bedeutung.  Die Erleichterung der Einbürgerung hierfür wäre ein geeigneter Weg.

Gerade auf kommunaler Ebene ist Partizipation von zentraler Bedeutung, da sie häufig  als „Schule der Demokratie“ zu sehen ist. Kommunen können Wegbereiter für erste Kontakte zwischen Bürgerinnen und Bürgern und politischen Akteurinnen und Akteuren sowie Institutionen sein, die in die Übernahme politischer Ämter münden können.

Die Voraussetzungen für die Teilhabe und Mitgestaltung unserer Demokratie basieren also auf dem Wissen um unsere Grundrechte, demokratischen Strukturen und Möglichkeiten sowie zeitgemäßer Entwicklungen in unserem demokratischen Staat.

Als eines der wichtigsten Merkmale unserer Demokratie gilt somit das allgemeine Wahlrecht.

Welchen Nachholbedarf gibt es also und wie kann praktische Demokratisierung gelingen?

Statements

Immer mehr rückt politische Teilhabe von Personen mit Migrationshintergrund in die Wahrnehmung von Politik und Gesellschaft.

In Rheinland-Pfalz engagieren sich immer mehr Menschen mit Migrationsgeschichte in der Kommunalpolitik. So ist die Zahl der gewählten Mitglieder mit Migrationshintergrund in Gemeinderäten in den letzten Jahren stetig gestiegen.

Auch in den kommunalen Beiräten für Migration und Integration ist ein hohes Engagement zu beobachten. Bei den letzten landesweiten Beiratswahlen im Oktober 2019 wurden insgesamt 454 Mitglieder in 48 Integrationsbeiräten gewählt. Rund 46 Prozent der gewählten Mitglieder sind Frauen und über ein Drittel der Mitglieder ist jünger als 35 Jahre! Hier zeigt sich, dass in den Integrationsbeiräten das Engagement von Frauen und jungen Menschen mit Migrationsgeschichte in besonderer Weise gelingt.


»Es ist wichtig, junge Menschen zu motivieren, sich politisch zu engagieren, sich mit anderen zu vernetzen anstatt sich gegenseitig ausspielen zu lassen.«

—  Anne Spiegel


Engagierte Migrantinnen und Migranten verschiedener Professionen sprechen über die Beweggründe ihres Engagements in politischen und sozialen Organisationen, sowie über ihre Erfahrungen und die Themen, die ihnen besonders am Herzen liegen:

„Mein Name ist Hêlîn, ich bin 28 Jahre alt und in der Südwest-Pfalz - direkt an der Grenze zum schönen Saarland - geboren. Meine Familie kam in den 1970er Jahren als kurdische Gastarbeiter aus der Türkei in das kleine Städtchen Zweibrücken („Zweebrigge“). Ursprünglich wollten sie „nur ein paar Jahre“ hier arbeiten, und dann wieder zurückkehren. Doch Deutschland bot ihnen etwas an, was in ihrer Heimat nicht wirklich existierte: die Demokratie. Und es ist nicht irgendeine Demokratie, es ist die freiheitliche Demokratie, die Menschen Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Als eine ethnische und religiöse Minderheit in der Türkei, wäre uns der Zugang zu jenen Prinzipien verwehrt geblieben, somit wurden wir deutsche Kurden und konnten endlich freie Bürgerinnen und Bürger werden. Ein Teil dieser liberalen Grundordnung zu sein und auch die Chance zu haben, die Gesellschaft mitzugestalten, inspirierte mich, in meiner neuen Wahlheimat Mainz politisch aktiv zu werden. So bin ich seit 2019 Mitglied im Beirat für Migration und Integration und erhoffe mir, zumindest – oder gerade eben – auf kommunaler Ebene am großen „Projekt Deutschland“ mitzuarbeiten.“ 

Linh Nguyen, B.A. Ethnologie & Kunstgeschichte

„Mein Name ist Hêlîn, ich bin 28 Jahre alt und in der Südwest-Pfalz - direkt an der Grenze zum schönen Saarland - geboren. Meine Familie kam in den 1970er Jahren als kurdische Gastarbeiter aus der Türkei in das kleine Städtchen Zweibrücken („Zweebrigge“). Ursprünglich wollten sie „nur ein paar Jahre“ hier arbeiten, und dann wieder zurückkehren. Doch Deutschland bot ihnen etwas an, was in ihrer Heimat nicht wirklich existierte: die Demokratie. Und es ist nicht irgendeine Demokratie, es ist die freiheitliche Demokratie, die Menschen Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Als eine ethnische und religiöse Minderheit in der Türkei, wäre uns der Zugang zu jenen Prinzipien verwehrt geblieben, somit wurden wir deutsche Kurden und konnten endlich freie Bürgerinnen und Bürger werden. Ein Teil dieser liberalen Grundordnung zu sein und auch die Chance zu haben, die Gesellschaft mitzugestalten, inspirierte mich, in meiner neuen Wahlheimat Mainz politisch aktiv zu werden. So bin ich seit 2019 Mitglied im Beirat für Migration und Integration und erhoffe mir, zumindest – oder gerade eben – auf kommunaler Ebene am großen „Projekt Deutschland“ mitzuarbeiten.“ 

Ebru Seker, Politikwissenschaftlerin / Soziologin

„Schon lange Jahre vor meiner Geburt wurde eine wichtige Entscheidung getroffen, die mein Leben vorstrukturierte: 1969 kam mein Opa als Gastarbeiter nach Deutschland. Wer hätte denn wissen können, dass der vor über 50 Jahren beginnende und eigentlich nur für einen kurzen Zeitraum geplante Aufenthalt noch bis heute andauern würde? Nun bin ich 23 Jahre alt und repräsentiere die dritte Gastarbeiter-Generation. Ich bin in Mainz geboren, aufgewachsen und habe hier Politikwissenschaft und Soziologie studiert.

Auch ich bin ein Teil dieser Gesellschaft und habe wie jeder andere das Recht auf Partizipation. Genau aus diesem Grund habe ich mich für den Beirat für Migration und Integration aufstellen lassen. Meine Intention hierbei ist kommunalpolitisch aktiv zu werden, mitentscheiden zu können und mich für meine Mitmenschen einzusetzen. Insofern wünsche ich mir, dass der Migrationshintergrund nicht mehr benachteiligende oder gar diskriminierende Folgen hat, sondern die Vielfalt unter den Menschen widerspiegelt.“

Tri Tin Vuong / Sachbearbeiter Deutsche Bahn

Der Beweggrund für mein politisches Engagement ist vor allem die Dankbarkeit gegenüber der deutschen Gesellschaft, die mich – vor mehr als 30 Jahren – hier aufgenommen hat, nachdem mich ein Handelsschiff aus Hamburg aus dem südchinesischen Meer gerettet hatte. Ich war schon als Kind in meiner Heimat politisch interessiert, sicher auch wegen der dortigen Zustände nach dem Ende des Vietnamkrieges. Die neuen kommunistischen Machthaber haben meine Familie beraubt, unterdrückt und terrorisieren meine Heimat bis heute. Das habe ich als unerträglich bedrückend erlebt und mir geschworen, alles für die Freiheit zu tun. Das ist dann mein Lebensthema geworden.

Meiner Ansicht nach sollte sich jeder Mensch, der seine Heimat aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen verlässt und nach Deutschland kommt, verpflichtet fühlen, sich hier zu integrieren. Dies gelingt – meiner Erfahrung nach – am besten durch gesellschaftliches Engagement. Sei es im sozialen (Feuerwehr, soziale Hilfswerke, Bildungsarbeit etc.) oder im politischen Bereich, wie z.B. in den Beiräten für Migration und Integration. Durch diesen Einsatz würde auch Vorurteilen von Seiten der politischen Rechten entgegengewirkt, weil so in der Öffentlichkeit die Dankbarkeit der hierher Geflüchteten gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft sichtbar würde. Dies ist meine feste Überzeugung: Wer von Anderen Hilfe verlangt, muss auch selbst bereit sein, zu helfen.

Was ist Demokratie? Was bedeutet es, in unserer Demokratie zu leben? Statements aus der Veranstaltung auf dem Hambacher Schloss am 30.08.2019

Mirko Drotschmann, Journalist, Moderator und „Mr. Wissen 2go“

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Clemens Brüchert, Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V. und Lehrer an der Georg-Forster-Gesamtschule Wörrstadt

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Andreas Kreiner-Wolf, Leitung des Programmbereichs "Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt" und der Geschäftsstelle des Bündnisses „Demokratie gewinnt!“ Rheinland-Pfalz

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Schülerinnen und Schüler der Georg-Forster Gesamtschule Wörrstadt, Jahrgangsstufe 12 (Stand 2019):

Chaima Lamdaghri

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Mira Wittig

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Ali Yabanelli

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Azime Djaferi

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Ecem Emeröz

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Evrim Emeröz

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„Lebenswege“-Zeitzeugen

Tri Tin Vuong

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Behrouz Asadi

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