Die Türe geht zu – Der Anwerbestopp von 1973

Zu Beginn der 1970er Jahre betrachteten die staatlichen bundesrepubli- kanischen Stellen die steigenden Familienzusammenführungen und die Zahl der beschäftigten ausländischen Frauen zunehmend mit Sorge. Der Frauenanteil bei den ausländischen Arbeitnehmenden lag 1965 Jahre im Bundesgebiet bei knapp 30% [1]. Vor allem aber wurde die Anzahl der nicht erwerbstätigen Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter zunehmend größer. Waren es 1967 noch 815.000 nichterwerbstätige in der BRD gewesen, stieg 1973 ihre Zahl auf 1,37 Millionen an [2]. Diese Hinweise deuteten auf einen längerfristigen oder sogar permanenten Aufenthalt einer zunehmenden Zahl ausländischer Menschen in Deutschland hin.

Gruppe von Frauen
Der Frauenanteil bei den ausländischen Arbeitnehmenden lag 1965 Jahre im Bundesgebiet bei knapp 30%.

In der Perspektive der Verantwortlichen bei Wirtschaft und Behörden barg dies die Gefahr einer ansteigenden finanziellen Belastung. Es entstand eine Debatte über die Vor- und Nachteile der Ausländerbeschäftigung, die im staatlichen »Anwerbestopp« vom 23. November 1973 mündete, der das Ende staatlicher Ausländeranwerbung markierte. Der weitere Zustrom von »Gastarbeitern« aus nicht EG-Ländern wurde damit beendet.

Unter den in Deutschland lebenden spanischen Arbeiterinnen und Arbeitern ging als »nicht EG-Bürger« die Angst um, nach dem Urlaub zum Ende des Jahres nicht mehr zu den Arbeitsplätzen zurückkehren zu können. Verunsichert zeigte sich auch Carlos Pardo, IG-Metall-Sekretär für spanische und portugiesische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik. Er vermisse »konkrete, amtliche Informationen« deutscher Behörden. Unter den Ausländern finde, klagt Pardo, derzeit »jedes Gerücht Nahrung.« [Der Spiegel, 50/1973 10.12.1973]

Für die spanischen Behörden wäre eine einsetzende Rückkehrwelle unvorbereitet gekommen. Bereits in der Phase der wirtschaftlichen Rezession 1966/67, in der viele Spanier wieder zurückkehrten, waren chaotische Verhältnisse eingetreten.

Miguel Garcia de Sáez, Direktor des »Spanischen Auswanderungs-Instituts«: »Wenn die 1,2 Millionen spanische Gastarbeiter im Ausland mit ihren Familien auf einmal zurückkommen, stehen wir vor einer Katastrophe. Wir sind auf diesen Fall nicht vorbereitet.«

Verschärft wurde die Situation, da zur selben Zeit das spanische Binnenwachstum stockte und die Arbeitslosenquote auf der iberischen Halbinsel anstieg.

Mit dem Anwerbestopp von 1973 war die Türe für ausreisewillige Spanierinnen und Spanier nach Deutschland endgültig zu. Die hier lebenden spanischen Familien standen nun vor der Frage: Bleiben oder Gehen? Wer sich fürs Gehen entschied, tat dies für immer.

Die Rückkehr nach Spanien

Schon vor dem offiziellen Anwerbestopp, waren die meisten Spanierinnen und Spanier in ihre Heimat zurückgekehrt. So lag zwischen 1960 bis 1967 die Rückkehrquote bei rund 68%, [3] angezogen von einem iberischen Wirtschaftswunder, das Spanien in den 1960er Jahren eine der höchsten Zuwachsraten in der Welt bescherte. Die wenigsten kehrten in ihre Heimatdörfer zurück. Sie strömten in die Industriezentren Madrid, Barcelona, Bilbao, Valencia und Saragossa [Der Spiegel 5/1968 29.01.1968]. Bis 1973 erhöhte sich die Zahl der spanischen Remigranten auf 70% und stellte damit die höchste Zahl der in ihre Heimat zurückkehrenden Migrantengruppen dar.

Landkarte Spanien
Pro-Kopf-Einkommen in den Provinzen Spaniens, 1977

In Spanien taten sich viele Remigranten schwer, sich nach einem, zwei oder mehreren Jahren wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Die spanische Regierung tat für ihre Rückkehrer kaum etwas.

Von der Obrigkeit vernachlässigt, gründeten Rückwanderer Selbsthilfe-Vereine, die die Wiederanpassung erleichtern sollte oder versuchten, in Eigeninitiative mit ihren Ersparnissen wirtschaftliche Projekte zu beginnen [siehe www.losmigrantes.org].

»Einem ehemaligen Gastarbeiter in einem rheinländischen Metallbetrieb gelang es dennoch, in der kastilischen Stadt Salamanca 20 Gleichgesinnte um sich zu versammeln und eine Kooperative zu gründen, die sich zu einem veritablen Bauunternehmen mauserte.«[Der Spiegel 49/1971, 29.11.1971]

Die Zahl spanischer Rückwanderer nahm nach Francos Tod (20.11.1975) und der beginnenden Demokratisierung des Landes sogar noch zu. Kurze wirtschaftliche Krisen konnten diese Bewegung nur verlangsamen, aber nicht umkehren, so dass Anfang der 1980er Jahre nur noch 138.000 Spanier in der Bundesrepublik lebten. Mehr als zwei Drittel der Arbeitsmigrantinnen und -migranten (74%) waren 1981 bereits 10 Jahre und länger in Deutschland. Ein Zeichen dafür, dass sich der Aufenthalt der Verbliebenen verfestigte [Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik S. 226].

Deckblatt »Der Spiegel«
Der Spiegel Spanien: Die Stunde der Entscheidung.

Auch für Rheinland-Pfalz lässt sich eine hohe Tendenz zur Rückkehr nachweisen. Waren ein Jahr nach Anwerbestopp noch 9.300 Spanierinnen und Spanier zwischen Rhein und Mosel gemeldet, verringerte sich ihre Zahl um 42% auf 5.374.

1980 ging die Gesamtzahl nochmals zurück. Seit Mitte der 1980er Jahre blieb die Zahl der Spanier in Rheinland-Pfalz bei rund 4.000 relativ stabil [Zahlenwerte Statistisches Landesamt, Ausländerzentralregister].

PfeilNach oben


Quellenangaben

  1. Siehe dazu Monika Mattes: Gastarbeiterinnen in der Bundesrepublik, Anwerbepolitik, Migration und Geschlecht in den 50er bis 70er Jahren, Frankfurt 2005.
  2. Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik S. 105ff.
  3. Francisco Sánchez López in seiner La emigracion espanola a Europa, CECA; Madrid, 1969, S. 52
  4. Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik S. 226.
  5. siehe www.losmigrantes.org