Zwischen alter und neuer Heimat

Die »nicht-auffälligen Ausländer«, das ist das heutige Bild der 354.000 Griechinnen und Griechen, die in Summe die viertgrößte Migrantengruppe in Deutschland darstellen. 79% der hier lebenden sind in Griechenland geboren. In Rheinland Pfalz besitzen rund 7.000 Hellenen noch den griechischen Pass. Ein Drittel aller Griechen in Deutschland lebt in Nordrhein-Westfalen, über 107.000 in Baden-Württemberg und etwa 80.000 in Bayern. Trotz der Entscheidung, Deutschland als Lebensmittelpunkt zu wählen, besitzen hier nur 2% ein Eigenheim. Kein Wunder, das Geld floss ja stets in die alte Heimat. Doch die Häuser auf der Peloponnes erfreuen sich nur zur Urlaubszeit ihrer Besitzer, da man sich schon lange dazu entschlossen hat, den Lebensabend in Deutschland zu verbringen, gebunden an die Kinder und Enkelkinder, die ihr Zuhause nun hier haben [1].
 

Griechen in Rheinland Pfalz

 
JahrKoblenzTrierKaisers- lauternLudwigshafen am RheinMainzRheinland PfalzDeutschland
     GriechenAusländer allgemeinGriechen
198610167942.9364406.503167.455
1990150821412.8135777.438205.458
20001961621412.6006858.761297.076
20051141471252.2665797.685292.175
20081371451102.050 5396.956290.037287.178

Griechen in Rheinland Pfalz. © Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz

Heute sind 45.000 Griechinnen und Griechen über 60 Jahre alt. Die meisten leben durchschnittlich 20 Jahre in Deutschland. Das ist die höchste Verweildauer unter den Arbeitsmigrantinnen und -migranten hierzulande. Doch weder diejenigen, die hier bleiben, noch die Rückkehrer lösen ihre Verbindungen zur neuen oder der alten Heimat. Dank des »Ethnic Travel« der Fluglinien und vor allem der Billigfluganbieter erreichen die so genannten »Lazo-Germani«, die griechischen Deutschländer, im Vergleich zur einstmals beschwerlichen Bahnreise heute ihre Heimat in kürzester Zeit. So ist der Abschied keine Trennung auf unbestimmte Zeit mehr [2].

Die zahlreichen Rückwanderungen, das Festhalten am griechischen Bildungs-
system und die hohe Zahl selbstständiger Klein- und Familienunternehmer weisen darauf hin, dass Griechen gerne unter sich bleiben. Viele der »Lazo-Germani« (34%) sind bei griechischen Unternehmern beschäftigt, sei es im Familienbetrieb, oder bei Bekannten und Freunden. 81% derer, die eine »Griechische Schule« besuchen, haben nur griechische Freunde. Bei den griechischen Kindern auf deutschen Schulen sind es 25%. Ebenfalls nehmen die Schulgänger »Griechischer Schulen« viel seltener die deutsche Staatsbürgerschaft an, auch wenn sie dafür die griechische nicht aufgeben müssten, und sie wandern häufiger nach Griechenland zurück. Griechische Einwanderer suchen sich am liebsten auch einen griechischen Ehepartner und tendieren dazu, die Muttersprache sehr lange als erste Sprache zu behalten. In dieser Hinsicht ähneln die Griechen den türkischen Einwanderern, während sich im Freundeskreis der Ex-Jugoslawen oder Italiener häufiger Menschen anderer Nationalitäten finden [3].

Die Arbeitswelt

Obwohl es sehr viele griechische Unternehmer hierzulande gibt, ist der Großteil griechischer Immigrantinnen und -migranten als Arbeiter tätig. 1999 arbeiteten sogar noch 70% als unqualifizierte, oder halbqualifizierte Arbeitskraft, 19% als Facharbeiter und 11% als Angestellte [4].
 

Position in der Arbeitswelt in Prozent

 
Ursprungsland Frauen 
 UnqualifizierteFacharbeiterAngestellte
Deutschland20476
Türkei70525
Ex-Jugoslawien64631
Italien61632
Griechenland72524
Spanien46549
Portugal70624
Ursprungsland Männer 
 UnqualifizierteFacharbeiterAngestellte
Deutschland253144
Türkei71236
Ex-Jugoslawien57358
Italien632711
Griechenland701911
Spanien493021
Portugal67267

© Seifert (2001)

Die Arbeitslosenzahlen sind bei den Griechen seit den 1980er Jahren höher, als bei anderen Migrantengruppen. Im Jahr 2000 lag die Arbeitslosenquote bei den Griechen bei 16%, bei den Italienern waren es 15% und bei den Ex-Jugoslawen 11% [5].  

Auch bei der BASF in Ludwigshafen reduzierte sich die Zahl griechischer Beschäftigter von 1975 mit 1.054 griechischen Arbeiterinnen und Arbeitern drastisch. 1990 verringerte sich ihre Zahl auf 435, im Jahr 2000 stellten nur noch 168 ihre Arbeitskraft zur Verfügung. 2007 waren nur noch 85 griechische Arbeiter bei dem Chemieunternehmen in Brot und Arbeit. Ähnlich gingen die Zahlen bei anderen Migrantengruppen zurück. Deswegen kann man davon ausgehen, dass nicht nur die relativ hohe Arbeitslosigkeit unter den Griechen dazu beigetragen hat, sondern auch die allgemeine demographische Veränderung und die Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt [6].

Bildung und Ausbildung

Im Bildungswesen sind die Griechen in Deutschland für zwei Dinge bekannt: Für ihre »Griechischen Schulen« und zweitens für ihre relativ gute Ausbildung. Griechische Eltern investieren viel in die Ausbildung ihrer Kinder und ähneln damit den Spaniern. Doch einen großen Unterschied gibt es dennoch: Seit 1975 öffneten sich die Spanier dem deutschen Bildungssystem und schlossen die »Spanischen Schulen«. Viele griechische Eltern sprachen sich dagegen für die »Nationalen Schulen« aus. Die erste ihrer Art wurde bereits 1966 in Nürnberg eröffnet. Seit 1981 beteiligt sich der griechische Staat aktiv am Ausbau des Netzes »Griechischer Schulen« und finanziert sie ganz oder zumindest teilweise. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 40 solcher Schuleinrichtungen, die noch von 20% griechischer Kinder besucht werden. Dennoch ist ein Umkehrtrend sichtbar: Immer mehr Eltern entscheiden sich für den deutschen Bildungsweg [7].

Zeitungssauschnitt der Allgemeinen Zeitung, 1978

Die Ausrichtung der »Griechischen Schulen« ist in jedem Bundesland unterschiedlich organisiert, entweder als muttersprachlicher Zusatzunterricht, oder als vollwertige Schulausbildung, die an das griechische System angelehnt ist. Beim Letzteren erfolgt nach dem Besuch der Grundschule der Wechsel auf das Gymnasium (gymnasio). Dieses dauert drei Jahre. Anschließend können die Schüler auf dem sogenannten Lyzeum (lykeio) drei weitere Jahre die Schulbank drücken. Erst mit einem erfolgreichen Lyzeums-Abschluss können sie wahlweise in Deutschland oder Griechenland zur Hochschulausbildung zugelassen werden [8].


Kinder griechischer Zuwanderer erzielen einerseits gute Leistungen im Bildungswesen und werden nur von den Spaniern übertroffen. 21% der griechischen Schüler besuchten 1997 das Gymnasium und auch bei den Studierenden lag der Prozentsatz weit über dem Durchschnitt der Einwanderer insgesamt [9]. Griechische Kinder weisen im Vergleich zu anderen Migrantengruppen eine hohe Beteiligung am gymnasialen Schulweg auf und sind an deutschen Hochschulen mit über 200 Professoren und Dozenten überdurchschnittlich stark vertreten sind. Griechinnen und Griechen der zweiten Generation prägen vielfach als Rechtsanwälte, Pressesprecher oder Radio-Redakteure das Berufsbild. Als Schriftsteller oder Regisseure tragen sie zur deutschen Mainstream-Kultur bei, wie der deutsch-griechische Autor Andreas Schäfer oder Filippos Tsitos, der sich als Tatort-Regisseur einen Namen gemacht hat [10]. Trotz erfolgreicher Integration und vergleichsweise guter Ausbildung gibt es auch bei Griechen eine Kehrseite der Medaille; ganze 13% der jungen Griechinnen und Griechen erreichen keinen Schulabschluss [11].

Alte Werte = neue Werte?

Heute feiert die griechische Jugend ausgelassen in griechischen Cafes und Diskotheken, in denen sich traditionelle griechische Musik und griechischer Pop die Hand reichen. Auch deutsche Clubbesitzer haben die Griechen als Kundenstamm entdeckt und bieten des öfteren eine »Griechische Nacht« mit griechischen Musikern à la »DJ Greekster« [12].

Auf der anderen Seite versucht die ältere Generation, an den Werten festzuhalten, die man als »Gastarbeiter« aus der alten Heimat mitgebracht hat. Ort dieser Kulturpflege sind die zahlreichen Vereine und griechisch-orthodoxen Gemeinden. Der Charakter der Vereine geht von studentischen Organisationen, Akademikervereinen über kulturelle Organisationen für Tanz, Musik oder Theater, über Vereine mit lokalem Bezug in denen sich speziell Griechen aus Pontos, Thrakien oder Kreta treffen, bis hin zu diversen Eltern- und Lehrervereinen. Heute versammeln die 144 griechischen Gemeinden etwa 60.000 Mitglieder. Ihre ursprüngliche Funktion als Anlaufstelle im Integrationsprozess haben sie längst verloren. Für die Mitglieder gilt es, die Traditionen zu bewahren und sie an die nächsten Generationen weiterzugeben. Doch der Nachwuchs bleibt oft nur, solange die Eltern die Freizeitgestaltung organisieren. Nur mit Folklore, auf das sich nicht selten in den Vereinen die Ausgestaltung des griechischen Kulturraumes begrenzt, kann man die von der Popkultur geprägte Jugend nicht lange halten [13].

Obwohl sich die Jugend neue Treffpunkte schafft und die alten Vereine marginalisiert werden, wird die Tradition weiterhin als wichtig betrachtet. In den griechischen Diskotheken der deutschen Großstädte wird das »Griechische« hochgehalten. Ein »Sich-Selbst-Suchen« zwischen Deutschland, der idealisierten Heimat der Eltern und dem Griechenland, dass man fast nur aus dem Urlaub oder den Ferienbesuchen kennt, verdrängt die »Nostalgia« der ersten Einwanderergeneration. Die Jungen zelebrieren ihre griechische Identität als Unterscheidungsmerkmal zum Rest der Gesellschaft, was nicht selten in eine Art Nationalstolz ausartet – ein Phänomen, dass man auch bei allen anderen Einwanderergruppen beobachten kann[14]. Remake« des Berliner Rappers Konstantinos Tzikas alias Greckoe in die Jugendkultur Einzug gehalten.

PfeilNach oben

  1. Gogos 2007, S. 181, Dietzel-Papakyriakou, 2003, S. 21
  2. Gogos 2007, S. 182
  3. Vermeulen 2008 S. 27
  4. Vermeulen 2008, S. 24
  5. Vermeulen 2008, S. 24
  6. BASF: Gastarbeiter bei der BASF
  7. Vermeulen, 2008, S. 25
  8. Vermeulen 2008 S. 25
  9. Vermeulen 2007 S. 606
  10. Gogos, 2007, S. 184
  11. Gogos, 2007, S. 183 f.
  12. Gogos, 2007, S. 184
  13. Gogos, 2007, S. 185
  14. Gogos 2007, S. 186 f.
    Gogos, Manuel: Überblendungen. Deutsche Besatzung in Griechenland und die griechische Arbeitsmigration nach Deutschland, in: Projekt Migration. Hg.: Kölnischer Kunstverein / DOMiT, Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland, Köln 2005

    Gogos, Manuel: Big Fat Greek, in: Beheimatung durch Kultur, Bonn, 2007

    Vermeulen, Hans: The Greek labour diaspora in Europe, its integration in the receiving societies, especially Germany, and its relation with the home country, in: Migrance, Vol. 30 2008
    auf: http://www.imes.uva.nl/staff/documents/VermeulenMigrance.pdf (rev. 18.02.2010)
     
    Vermeulen, Hans: »Griechische Arbeitswanderer in West-, Mittel- und Nordeuropa seit der 1950er Jahren (Beispiele Deutschland und die Niederlande)« Enzyklopädie Migration in Europa: vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart 2007