»O Emigrante« – der Migrant

Longe da terra distante            
Longe do seu Portugal             
Vai lembrando o emigrante        
A sua terra natal            
Na sua grande ansiedade            
E triste viver assim            
Mas quando vem a saudade         
Chora saudades sem fim    
Weit vom entfernten Land
Weit von seinem Portugal
Erinnert sich der Migrant
An seine Heimat
In seiner großen Beklemmung
Ist er traurig, so zu leben
Denn wenn das Heimweh kommt
Dann weint er der Sehnsucht willen ohne Ende

Die Musikgruppe »Conjunto Maria Albertina« verarbeitet in ihrem Lied »O emigrante« – »Der Migrant« künstlerisch das Motiv der Auswanderung.

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Dieses Motiv zieht sich schon seit Jahrhunderten durch portugiesische Lieder und Gedichte. Sie beschreiben das, was der portugiesische Historiker Vitorino Magalhães Godinho als die historischste Konstante in der portugiesischen Geschichte bezeichnet: Als erste europäische Großmacht mit bedeutendem Kolonialbesitz waren seit dem 15. Jahrhundert die überseeischen Gebiete immer Anziehungspunkt für Wanderungsbewegungen. 

Gemälde des portugiesischen Seefahrers Vasco da Gama
Jahrhundertelang war die portugiesische Auswanderergeschichte auf transozeanische Gebiete ausgerichtet. Der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama gelangte als erster Europäer auf dem Seeweg nach Indien. Er brach das Monopol arabischer Händler. Portugal wurde so zur Weltmacht.

So folgte den Karavellen der Entdecker schon bald die vorwiegend ländliche Bevölkerung, die aus den bedrückenden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zu entfliehen suchte [1].

Die meisten Portugiesen wanderten zu dieser Zeit nach Brasilien aus. Über Jahrhunderte hinweg entwickelte das Land am Amazonas eine ungeheure Anziehungskraft. Allein zwischen 1900 und 1959 wagten etwa 1,1 Millionen Portugiesen den Sprung über den Atlantik [2]. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verzweigte sich der portugiesische Migrationsstrom auch in andere Staaten des amerikanischen Kontinents: nach Nordamerika, Venezuela und Argentinien sowie in die afrikanischen Kolonien [3].

Ein Wandel dieser Ausrichtung von der transozeanischen hin zu einer europäischen Orientierung vollzog sich allmählich zwischen den 1930er und 1950er Jahren. Der Ausbruch der amerikanischen Wirtschaftskrise 1929 und die strengeren Einreisebedingungen in die Vereinigten Staaten sowie nach Brasilien verringerten die transozeanische Migration [4]. Dazu beigetragen hatte auch die Etablierung der Diktatur des »Estado Novo« – des »Neuen Staats« in den 1920er Jahren durch den späteren Ministerpräsidenten António de Oliveira Salazar. Während seiner Regierungszeit betrieb Portugal eine restriktive und selektive Auswanderungspolitik. »Sie zielte auf möglichst hohe Auslandsüberweisungen ins Inland, auf den Schutz des Arbeitsmarktes vor der Abwanderung von Spezialisten sowie auf die Förderung von Auswanderungen in die Kolonien ab.« [5] Von nun an war es für die Portugiesen nur nach einem langen und kostspieligen Verfahren möglich, eine Ausreisegenehmigung zu erhalten.

Als Reaktion auf diese Hindernisse entwickelte sich eine zunehmende illegale Auswanderungsbewegung nach Westeuropa. Ausschlaggebend dafür waren politische, soziale und wirtschaftliche Faktoren. Hauptursache für die Migration bildeten traditionell die sozio-ökonomischen Verhältnisse in Portugal: Eine rückständige Landwirtschaft im Hinterland, die undurchlässige Ständeordnung des Estado Novo, der die soziale Mobilität so gut wie unmöglich machte und die fehlende industrielle Entwicklung waren treibende Beweggründe, das Heimatland zu verlassen. Die Politik der autoritären Staatsform, die keine oppositionellen Gruppen duldete, erhöhte ebenfalls die Motivation, Portugal zu verlassen. Zwischen 1961 und 1974 führten die nun einsetzenden Kolonialkriege in Afrika zu einem enormen Anstieg der Auswanderungszahlen. Insbesondere junge Männer flohen vor dem 1967 auf vier Jahre ausgeweiteten Militärdienst in der portugiesischen Armee [6]. In der Wissenschaft schätzt man, dass aufgrund der aufgeführten Punkte insgesamt 62 Prozent aller portugiesischen Migranten illegal ausreisten [7].

Ansicht Migrationsdenkmal in Póvoa de Varzim
Portugal erinnert sich an seine Geschichte: Migrationsdenkmal in Póvoa de Varzim, Portugal.

Die wachsende Zahl illegaler Auswanderer in den 1960er Jahren veranlasste den portugiesischen Staat, Anwerbeabkommen mit mehreren europäischen Staaten abzuschließen. Mit der politischen Vereinbarung sollten die Abwanderungsströme kanalisiert werden. Aus diesem Grunde trat die portugiesische Regierung im Juli 1963 mit der Bitte um ein Anwerbeabkommen an die Bundesrepublik heran.

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Quellenangaben

  1. RTP, »Ei-los que partem«, A História da Emigração Portuguesa - Uma série documental que nos obriga a reflectir sobre a nossa identidade e o nosso lugar no mundo, S. 1 – 13. In: tv.rtp.pt/programas-rtp/index.php, Abruf 01.02.2012, S. 1.
  2. Peter Weber, Portugal. Räumliche Dimension und Abhängigkeit, Darmstadt 1980, S. 230.
  3. Maria Beatriz Rocha Trindade, Fenómeno da Emigração em Portugal, in: Instituto de, Investigação Científica Tropical (Série Ciências etnológicas e etno-museológicas), Lissabon 1992, S. 5.
  4. Joel Serrão, A Emigração Portuguesa, Sondagem histórica, Lissabon 1977, S. 23.
  5. Marcelo J. Borges, Portugiesische Arbeitswanderer in West-, Mittel- und Nordeuropa seit den 1950er Jahren (Beispiele Frankreich und Deutschland), in: Klaus J. Bade u. a.: Enzyklopädie Migration in Europa vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 2010, S. 891 – 896, S. 891.
  6. Bodo Freund: Portugal, Stuttgart 1981, S. 33.
  7. Borges: Portugiesische Arbeitswanderer in West-, Mittel- und Nordeuropa, S. 892.