Renato Mordo: Eine Geschichte von Verfolgung und Widerstand

Gegen alle Widerstände seiner Zeit avancierte der junge Wiener Renato Mordo zum künstlerischen und progressiven Innovator, Regisseur, Dramaturg und Operndirektor aus Leidenschaft. Oldenburg und Darmstadt, Prag, Breslau, Athen, Tel Aviv und Mainz sind nur einige der Orte, an denen der Kosmopolit im „Zeitalter der Extreme“ des 20. Jahrhunderts Außergewöhnliches schuf.

Renato Mordo wird am 3. August 1894 in Wien als Sohn jüdischer Eltern geboren.

Text: Torsten Israel / Gestaltung: Marita Hoffmann / Fotos aus dem Nachlass Elsbeth und Michael Mordo

Kaufmann sollte er werden, ebenso wie sein griechisch stämmiger Vater. Doch seine Liebe und Faszination gehörte dem Schöngeistigen. Renato besuchte Vorlesungen in Germanistik, Kunst- und Musikgeschichte, besuchte von 1914 an die „K. K. Akademie für Musik und darstellende Kunst“, und legte 1917 seine „Künstlerische Reifeprüfung“ ab.

Mordo brannte für das Theater und überzeugte früh durch sein Talent. Im Alter von 26 Jahren wurde er als Oberspielleiter an das Landestheater in Oldenburg berufen.

Ein Jahr später, 1921, hatte er sich die Stelle des Direktors erarbeitet, übernahm 1923 als jüngster Theaterleiter Deutschlands die Intendanz und führte die Oper am Landestheater ein. Mordos Vision war ein Theater, das allen sozialen Schichten in gleichem Maße zugängig sein sollte. Seine soziale Gesinnung stieß jedoch auf Widerstand. Hinzu kamen theaterinterne Schwierigkeiten und Kompetenzstreitigkeiten, die letztlich in die Auflösung seines Vertrags gipfelten.

Die Stelle als Oberregisseur des Schauspiels am Deutschen Volkstheater führte ihn 1924 in seine Geburtsstadt Wien zurück. Ein Vertrag als Schauspieldirektor am Lobe-Theater in Breslau und folgender Schaffenszeit an der Komödie Dresden lösten 1925 die Wiener Zeit ab. Sein Leben voller künstlerischer Inspiration führte ihn 1928 an das Hessische Landestheater in Darmstadt, das mit Uraufführungen moderner Autoren und aufsehenerregender Klassiker-Inszenierungen landesweit Aufsehen erregte. Seinen Vertrag als Oberregisseur der Oper hielt er hier bis 1932 aufrecht.

Bereits 1920 war Mordo - ebenso wie seine Mutter - zum Katholizismus konvertiert. 1922 heiratete er die Schauspielerin Gertrude Wessely, die er bereits während seines Studiums in Wien kennenlernte. 1923 wurde in Oldenburg sein Sohn Peter Rudolf Mordo geboren, der als Komponist und späterer Programmchef des damaligen Süddeutschen Rundfunks in Stuttgart tätig war.

Text: Torsten Israel / Gestaltung: Marita Hoffmann / Fotos aus dem Nachlass Elsbeth und Michael Mordo

Mit unaufhaltsamem Schrecken schritt mit Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 die nationalsozialistische Machtergreifung voran, zerstörte die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik und errichtete ihre Diktatur. Dem düsteren Szenario suchte Mordo mit seiner Familie zu entkommen und nahm ein Angebot des Deutschen Theaters in Prag an. Als Oberspielleiter der Oper, der Operette und des Schauspiels sowie einer Professur an der Deutschen Akademie für Musik und darstellende Kunst setzte er dort künstlerische Akzente.

1939 zwang ihn der Terror der Nationalsozialisten Prag zu verlassen.

Text: Torsten Israel / Gestaltung: Marita Hoffmann / Fotos aus dem Nachlass Elsbeth und Michael Mordo

Aufgrund seiner griechischen Sprachkenntnisse, die er dem aus Korfu stammenden Vater verdankte, emigrierte er mit seiner Familie nach Griechenland. Ungebrochen war sein künstlerischer Schaffensdrang, der auch in Athen nachhaltige Spuren hinterließ: Er gründete und leitete die Staatsoper in Athen und förderte die damals noch unbekannte, griechisch-amerikanische Opernsängerin Maria Callas, die Leonard Bernstein später „The Bible of Opera“ nannte.

Am 6. April 1941 fielen Hitlers Schergen in Griechenland ein. Bis 1944 verübten SS und Wehrmacht in Griechenland unzählige Verbrechen.

Roll Up: Landeszentrale für polit. Bildung / Gedenkstätte KZ Osthofen

Obgleich Mordo zum Katholizismus übergetreten war, verhafteten ihn die Nationalsozialisten 1944 und internierten ihn im deutschen Konzentrationslager Chaidari bei Athen. „Wer Jude sei, das haben die Gegner der Juden immer wieder zu definieren versucht“, betont Uwe Bader, Leiter der Gedenkstätte KZ Osthofen. „So blieb auch Mordo in der unsäglichen Rassendefinition der Nationalsozialisten trotz des angenommenen, katholischen Glaubens weiterhin Jude. Daher blieb ihm die Inhaftierung in das griechische KZ Chaidari nicht erspart und wäre bestimmt – wie Millionen anderer, unschuldiger Menschen - in eines der Konzentrationslager nach Osteuropa deportiert worden.“

Nach dem Abzug der Deutschen im September 1944 entließ man ihn aus seiner monatelangen Haft. Trotz aller Entbehrungen nahm Mordo umgehend seine Arbeit an der Staatsoper wieder auf und verarbeitete seine traumatischen Erlebnisse in dem Theaterstück „Chaidari“.

Im März 1946 entbrannte der Griechische Bürgerkrieg. Man verleumdete Mordo als Kommunist, sodass er in Folge seine Tätigkeit an der Staatsoper verlor.

Und wieder hieß es für die Familie, ihre Koffer zu packen. Zunächst mit Zwischenstopp in Wien und einem erfolgreichen Gastspiel an der Wiener Staatsoper 1947, bevor die Reise nach Ankara weiterging. Dort leitete Mordo von 1947 bis 1951 die Oper und wurde, wie bereits zuvor in Prag, zum Professor für Musik und darstellende Kunst berufen.

1951 inszenierte er erneut in Athen. 1952 folgte eine Einladung an die Habimah, dem Israelischen Nationaltheater in Tel Aviv, an dem er mit großem Erfolg u.a. Igor Strawinskiys Oper „Die Geschichte vom Soldaten“ inszenierte.

Text: Torsten Israel / Gestaltung: Marita Hoffmann / Fotos aus dem Nachlass Elsbeth und Michael Mordo

Dem Dirigenten und Sänger Karl Maria Zwissler, der in den 1950er Jahren Intendant des Stadttheaters Mainz war, das bereits damals ein Dreisparten Theater war, verdankte es die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt, Renato Mordo als Oberregisseur der Oper zu gewinnen. Zwissler und Mordo kannten sich bereits aus der gemeinsamen und förderlichen Zeit am Landestheater in Darmstadt.

Text: Torsten Israel / Gestaltung: Marita Hoffmann / Fotos aus dem Nachlass Elsbeth und Michael Mordo

Am 5. November 1955 starb Renato Mordo nach kurzer, schwerer Krankheit in Mainz. Er schuf unermüdlich Besonderes in einer Ära, die durch Krieg, politische Wirren, Terror, Entbehrungen, Hoffnung und Aufschwung geprägt war. Mit seinem Tod verlor die Theaterwelt einen der großen Künstler des 20. Jahrhunderts, dem „Zeitalter der Moderne“.

Trotz aller Spuren, die er hinterließ, geriet Renato Mordo in Vergessenheit.

Die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz / Gedenkstätte KZ Osthofen spürte die Geschichte des faszinierenden Künstlers wieder auf und widmete ihm zu Ehren eine Wanderausstellung, die am 24. September 2020 in Osthofen eröffnet und nun durch „Lebenswege“ im virtuellen Raum bewahrt wird.

Weitere Informationen zur Biografie enthält die Sonderwebsite "Renato Mordo" der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz / Gedenkstätte KZ Osthofen, die am 31. Mai 2021 online ging.

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