50 Jahre Anwerbeabkommen Deutschland-Griechenland und Deutschland-Spanien

Von Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun

Der Arbeitsmarkt in Italien, mit dem Deutschland bereits 1955 das erste Anwerbeabkommen abgeschlossen hatte, war »leergefegt«. Arbeitskräfte wurden aber weiterhin dringend im Nachkriegsdeutschland gesucht. Bundesarbeitsminister Theodor Blank schloss deshalb nach dem deutsch-italienischen Vorbild am 29. März 1960 mit  Spanien und am Folgetag, dem 30. März 1960 ein Anwerbeabkommen mit Griechenland ab.

Dorf »Viannos« in Kreta

Zur Ausländerbeschäftigung – so Arbeitsminister Blank – gebe es keine Alternative, weil »trotz fortschreitender Rationalisierung und Mechanisierung der Produktionsverfahren in der Bundesrepublik weiterhin ein steigender Kräftebedarf zu erwarten sei. Auf der anderen Seite verfüge der deutsche Arbeitsmarkt über keine Reserven mehr, die Zahl der Sowjetzonenflüchtlinge gehe zurück, und das Arbeitskräftepotential werde weiter schrumpfen wegen der veränderten Altersstruktur, der verbesserten Altersversorgung und der vermehrten Einberufungen zum Wehrdienst.«

Spanier und Griechen litten zu dieser Zeit unter schlechten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen im eigenen Land. Ihre Regierungen waren sehr daran interessiert, die hohe Arbeitslosigkeit zumindest teilweise durch die Auswanderung zu beseitigen. Schätzungsweise 1 Million Griechen arbeiteten so zumindest zeitweise in Deutschland, was einem Zehntel der Bevölkerung entsprach.

Die Auswanderung war für Griechenland und die anderen Herkunftsländer der ausländischen Arbeitskräfte ein zweischneidiges Schwert. Die Migration linderte in der Tat  die Arbeitslosigkeit und verschaffte durch die Überweisungen der Landsleute aus dem Ausland kräftige Devisen. Auf der anderen Seite brachte die massenhafte Auswanderung Länder wie Griechenland in eine schwierige Lage, wie ein Sonderberater des griechischen Arbeitsministeriums in einem ausführlichen Bericht mit dem Titel »Die griechischen Arbeiter in Deutschland und ihre Probleme« bereits 1966 darlegte:

»In den Dörfern fehlen die Arbeitskräfte, um landwirtschaftliche Maschinen zu bedienen und die Oliven zu ernten. Wegen des Mangels an Fachkräften entstehen auch in den verschiedenen Industriebetrieben Probleme. Noch komplizierter ist die Situation auf dem Bausektor. Es ist sehr schwierig Arbeitskräfte zu finden […]. Bei Bauarbeiten auf dem Lande war früher das Angebot an Arbeitskräften aus den benachbarten Ortschaften groß, ja sogar überschüssig. Heute fehlen die jungen und kräftigen Menschen, die etwas leisten können. Die Dörfer sind inzwischen zu Altersheimen geworden.«

Der kritische Beobachter stellte allerdings nach seiner Deutschlandreise fest, dass eine »Eindämmung des Auswanderungsstromes« unmöglich sei, unter anderem »weil die Gesetze der Wirtschaft keine Einschränkungen kennen und auch von Polizeimaßnahmen nicht beeinflusst werden können.« Schließlich äußerte der Sonderberater, der auch Rheinland-Pfalz besuchte, noch lakonisch: »Außerdem neigt der Grieche aus verschiedenen Gründen immer dazu auszuwandern.«

Die Griechen wie auch die anderen »Gastarbeiter« mussten ihre Heimat nicht nur aus wirtschaftlicher Not, sondern auch aus politischen Gründen verlassen. So herrschte in Griechenland von 1967 bis 1973 eine Militärdiktatur. Spanien fand erst 1975 zu demokratischen Verhältnissen, nachdem der Diktator Franco gestorben war. Alleine in den Jahren von 1960 bis 1969 wanderten 1,5 Millionen Spanier aus, viele davon nach Deutschland, wo man sie dringend als Arbeitskräfte brauchte.
 
Prof. Karl-Heinz Meier-Braun ist Integrationsbeauftragter des SWR und Leiter der Redaktion SWR-International.

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