»Das kommt mir aber reichlich spanisch vor« – Spanier heute in Rheinland-Pfalz

Das deutsche Sprichwort »das kommt mir aber spanisch vor« geht auf das komplizierte Zeremoniell des spanischen Hofes in Madrid zurück, der lange Zeit für die europäischen Königshäuser stilprägend war. Es beschreibt das Unverständnis über eine fremd und seltsam anmutende Etikette der spanischen Höflinge.

Familie sitzt am Tisch

»Spanisch«, fremd kamen vielen Deutschen jene Menschen vor, die in den 1960er und 1970er Jahren aus den Zügen von der Iberischen Halbinsel ausstiegen, um in Deutschland das Wirtschaftswunder voranzubringen. Sie hießen Ramón und Maria, Isabel und Carlos und brachten nicht nur ihre Koffer und Taschen, sondern auch spezielle Bräuche und Lebensgewohnheiten mit.

Einiges, was den Deutschen damals fremd vorkam, ist uns heute vertraut. Viele Deutsche haben Spanien im Urlaub kennen und seine Küche schätzen gelernt. Allein 2005 hatte Spanien rund 10 Millionen Gäste aus Deutschland zu verzeichnen. In den letzten 30 Jahren ist eine große deutsche Kolonie an Spaniens Mittelmeerküste und auf Mallorca herangewachsen. Unzählige Rentner verbringen hier ihren Lebensabend. Auf Mallorca ist die Zahl der Pensionäre mit den im Sommer anwesenden Touristen so groß, dass manch einer die Mittelmeerinsel bereits als 17. deutsches Bundesland bezeichnet.

Spaniens Kultur und Sprache ist längst gesellschaftsfähig. In den Schulen schickt sich Spanisch an Französisch als zweite Fremdsprache den Rang abzulaufen. In den Innenstädten eröffnen Tapas-Bars und in den Discountern stehen Jamon und Chorizos in den Regalen. Ohne Zweifel, das Spanische ist auf dem Vormarsch. Im Zuge dieses Einstellungswandels und aufgrund ihrer geringen Größe kommen uns spanische Migrantinnen und Migranten heute nicht mehr fremdländisch vor.

Im Gegenteil: Die spanische Bevölkerungsgruppe gilt heute im Allgemeinen als integriert. Sie zeichnen sich gegenüber anderen Migrantengruppen in Bezug auf Bildungsniveau und sozialen Aufstieg aus. Spanische Kinder erzielen die besten Bildungserfolge und sind am häufigsten von allen ausländischen Kindern an der Universität anzutreffen. Auch in der Liebe sind die Spanier Vorreiter. Laut Statistik »funkt« es zwischen Spaniern und Deutschen am meisten. Unter den Eheschließungen mit einem Ausländeranteil sind deutsch-spanische Partnerschaften überproportional vertreten [Pressemitteilung der Mainzer Staatskanzlei zum Besuch des spanischen Botschafters am 1.2.2010].

Rechtlich hat sich die Situation der Spanier dank des EU-Beitritts 1986 und der sich wandelnden Ausländergesetzgebung stark verbessert. Der Faktor Nationalität verschwindet zunehmend. Er wird abgelöst von der Bezeichnung »mit Migrationshintergrund«. An Bedeutung haben auch die zahlreichen Elternvereine und »Centros Españoles« verloren. Sie waren Anlaufpunkt für die erste Generation von Spaniern in Deutschland. Nicht zuletzt aufgrund ihrer erfolgreichen Arbeit haben sich die Selbsthilfeorganisationen der Spanier überlebt.

Demografisch gesehen sind Spanier in allen Kreisen von Rheinland-Pfalz zu verzeichnen. Man fand sie vor allem in Regionen mit vielen Industriearbeitsplätzen, insbesondere in den größeren Städten entlang des Rheins. Die größten spanischen Kolonien finden sich in Mainz und Ludwigshafen. Ihre Zahl stagniert mit 3.723 Personen (2009) auf niedrigem Niveau [Statistik]. Nach den großen Rückkehrquoten spanischer Migranten in der Vergangenheit blieb nur noch jener Bevölkerungsanteil zurück, der seine Zukunft in Deutschland sah. Für sie ist eine Rückwanderung zwar noch immer möglich, höchstwahrscheinlich aber keine Option mehr.

Inzwischen kündigen sich neue spanische Einwanderer an. Sie kommen nicht, um hier zu arbeiten, sondern um in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen. In den letzten Jahren lagen die unmittelbaren Direktinvestitionen spanischer Unternehmen in Deutschland bei über 16 Milliarden Euro. Sie schufen damit 60.000 Arbeitsplätze, getragen von Firmen wie Seat, Zara, Bank Santander oder dem Telefonanbieter o2, der spanischen Tochtergesellschaft von Telefónica in Deutschland. Von der geschäftlichen Zusammenarbeit profitiert die rheinland-pfälzische Wirtschaft. So exportierten die hier ansässigen Betriebe im vergangenen Jahr Waren im Wert von 1,4 Milliarden Euro nach Spanien [1].

Der spanische Botschafter Rafael Dezcallar y Mazarredo mit Ministerpräsident Kurt Beck
»Soziale Komponente in Europa stärken«, Besuch des spanischen Botschafters Rafael Dezcallar y Mazarredo in der Mainzer Staatskanzlei bei Ministerpräsident Kurt Beck, 1. Februar 2010.

Im Bildungsbereich arbeiten Rheinland-Pfalz und Spanien heute eng zusammen. Zwischen 25 rheinland-pfälzischen und spanischen Schulen besteht ein Schüleraustausch. Auch die Universitäten Mainz, Trier und Koblenz-Landau haben zahlreiche Kontakte zu spanischen Hochschulen, es wird auch ein Ingenieur-Doppeldiplom angeboten. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur arbeitet mit den spanischen Regionen Katalanien, Baskenland und Andalusien im Rahmen des europäischen Projekts »EARLALL« (Lebenslanges Lernen) zusammen. Der kulturelle Austausch soll verstärkt werden.

Die Rheinland-pfälzische Wirtschaft exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von 1,4 Milliarden Euro nach Spanien (Januar bis September), die Importe betrugen in dem Zeitraum 0,6 Milliarden Euro.

Die vielfältigen Beziehungen und Erfolge sollten die spanische Einwanderungsgeschichte nach Deutschland nicht als unproblematisch erscheinen lassen. Willkommen waren die spanischen Auswanderer nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Ihr Integrationsprozess war ein langer und mühsamer Weg, der ohne die aktive Rolle der Spanier selbst, nicht so positiv verlaufen wäre.

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Quellenangaben

  1. Pressemitteilung der Mainzer Staatskanzlei zum Besuch des spanischen Botschafters am 1. Februar 2010.
  2. Pressenachrichten der spanischen Handelskammer, 13. November 2007; siehe: www.spanische-handelskammer.de und Pressemitteilung der Mainzer Staatskanzlei zum Besuch des spanischen Botschafters am 1. Februar 2010.