Aufwachsen zwischen den Kulturen

Während Vater und Mutter in der Fremde den Lebensunterhalt verdienten, wuchsen die Kinder bei ihren Großeltern in der Heimat auf. Ohne Kinder konnten beide Elternteile einer Beschäftigung nachgehen und mehr Geld nach Hause schicken. Für Griechinnen, die in Deutschland schwanger geworden sind, aber in Arbeiterheimen wohnten, war es die einzige Lösung, das Neugeborene zur Familie nach Griechenland zu schicken [1].

»Das ist das Schlimme. Wir können unsere Kinder nicht bei uns behalten, wir wissen nicht wo wir sie unterbringen sollen, und deswegen geben wir unsere Babys zu unseren Eltern nach Griechenland. Meine Schwiegermutter ist schon gekommen, um es mitzunehmen, wenn es auf die Welt kommt«, offenbarte eine zukünftige griechische Mutter in einem Interview für die BBC Reporterin Yolanda Terenzio 1965 ihr Los [2].

Diese »Gastarbeiterkinder« bekamen ihre Eltern nur über die Feiertage oder während des Sommerurlaubs zu sehen. Die kurze Zeit, die Eltern mit den Kindern verbringen konnten, wurde mit Geschenken aus dem fernen Deutschland ausgeglichen [3].  

Bis 1965 machten Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren weniger als 10% der griechischen Einwanderer aus. Vor allem seit den 1970er Jahren stieg dieser Anteil kontinuierlich an und erreichte 1973 bereits 40% [4].

Griechische Kinder auf dem Schulweg
Die Kinder, die das Glück hatten, mit ihren Eltern nach Deutschland auszuwandern, oder die später nachgeholt wurden, erwartete die deutsche Schule, in der in einer für sie unverständlichen Sprache unterrichtet wurde.

Die Bildungssituation ausländischer Kinder wurde lange Zeit vom staatlichen Desinteresse begleitet. Ohne sprachliche Betreuung in den Schulen, mit Eltern, die kein richtiges Deutsch konnten und von morgens bis abends arbeiteten, waren die Migranten-Kinder bis in die 1970er Jahre oft auf sich alleine gestellt. Erst in den 1980ern fing man an, sinnvolle Fördermaßnahmen umzusetzen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Kinder der ersten »Gastarbeiter-Generation« sehr oft überhaupt keinen Schulabschluss erreichten, und sich auf dem Arbeitsmarkt schwer getan haben [5].

Zeitungsausschnitt der Allgemeinen Zeitung, 1978

Aber auch die Vorschul-Betreuung für »Gastarbeiterkinder« war mangelhaft. In Koblenz-Lützel nahmen die Kindergärten die kleinen Immigranten erst 1971 auf. Eine Schulpflicht für Ausländer gab es erst seit 1965. Die Anzahl schulpflichtiger Ausländerkinder in Rheinland-Pfalz stieg aufgrund des Familiennachzugs ohnehin erst seit 1970 an. In Koblenz waren 1971 zum Beispiel nur 41 ausländische Schüler registriert. 1982 waren es bereits 438. Die Griechen unter ihnen, ganze drei Schüler, müssen sich aber etwas einsam vorgekommen sein [6].


Quellenangaben

  1. Trenzio 2003, S. 58 f., vgl .a. Vermeulen 2008, S. 20
  2. Terenzio 2003, S. 59
  3. Gogos, 2007, S 183, vgl .a. Vermeulen 2008, S. 20
  4. Geck, 1979, S. 146
  5. Habrock-Henrich/Holz 2005, S. 55
  6. Habrock-Henrich/Holz 2005, S. 56 f.