Hüseyin Altay

Geboren 1937 in Igdir (Türkei), Einreise nach Deutschland im Jahr 1969.

Portrait von Hüseyin Altay

»Die mit den starken Händen bekamen schwere Arbeit.«

­— Hüseyin Altay


Nachdem Hüseyin Altay im Jahr 1969 den Antrag auf die ausländische Arbeitserlaubnis gestellt hatte, reiste er von seinem Heimatort Igdir in die damalige Kreisstadt Kars, um seinen Pass zu beantragen und weitere Formalitäten zu klären. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass er unmittelbar  ins circa 1.700km entfernte Istanbul zur deutschen Verbindungsstelle reisen müsse, um anschließend direkt nach Deutschland emigrieren zu können. Ohne Gepäck und ohne die Verabschiedung von seiner Familie reiste Hüseyin Altay an die Küste des Bosporus. Erst mit einem Brief aus Istanbul konnte Hüseyin Altay seiner Familie von der ungeplanten, sofortigen Abreise ins ferne Deutschland berichten. Seine Familie sah er erst nach 14 Monaten bei seinem ersten Heimaturlaub wieder!

Altes Schwarz-Weiss-Portrait von Hüseyin Altay

In der deutschen Verbindungsstelle wurden neben der Gesundheitsprüfung zudem Vorstrafen, die Ableistung des Militärdienstes, das Vorhandensein von Schulden, die Lese- und Schreibfähigkeiten, sowie die Zahl der Kinder geprüft. Hatte ein Ehepaar mehr als vier Kinder, wurde der Antrag für die Arbeitserlaubnis im Ausland nicht bewilligt. Um dies zu vermeiden, wurden nicht selten auf dem Amt Kinder aus dem Familien-Stammbuch gestrichen. Die Gesundheitsprüfung umfasste zahlreiche Untersuchungen der körperlichen Verfassung der meist jungen BewerberInnen. Im Umfeld der Vermittlungsstellen entwickelte sich damals ein reger Handel. Es gab Gebissprothesen, saubere Urinproben und gesundheitsfördernde (Haus-)Mittel, wie beispielsweise Ayran zur Verbesserung des Blutdrucks. Hüseyin Altay kaufte sich eine Zahnprothese, die er nach der Prüfung wieder ablegte.

Hüseyin Altay und ein Kollege reisten 1969 mit dem Zug von Istanbul über München nach Koblenz, wo sie abgeholt wurden. Hüseyin Altay hatte einen Jahresvertrag bei der Firma Steuler und wohnte im Zwei-Bett-Zimmer des angegliederten Arbeiterwohnheims. 1976 begann er die langwierige Suche nach einer eigenen Wohnung. Erst drei Jahre später erhielt Hüseyin Altay durch die Unterstützung eines italienischen Arbeitsmigranten eine Wohnung, die er mit seiner nachgereisten Familie bezog. Die knapp bemessene Freizeit verbrachte er vorwiegend mit seiner Frau und den fünf Kindern. Hüseyin Altay hatte geplant, nur einige Jahre in Deutschland zu arbeiten. Schließlich war er bis zu seiner Rente, 32 Jahre lang, bei der Firma Steuler beschäftigt. Heute kommt die Rückkehr in die Türkei für das Ehepaar Altay nicht mehr in Frage, da ihre Kinder und Enkelkinder hier leben. Dennoch verbringen sie jedes Jahr einige Monate in der alten Heimat.

Interview geführt am 02.März 2010 in Höhr-Grenzhausen durch L. Heidrich und C. Niesen.

PfeilNach oben