Antonio Piras

Geboren 1930 in Sassari (Sardinien), Einreise nach Deutschland im Jahr 1961


»Die Deutschen sagen zu uns Italiener, und die Italiener sagen zu uns Deutsche.«

— Antonio Piras


 

In seinem Heimatort Sassari war Antonio Piras lange Zeit in der Landwirtschaft tätig. Dies änderte sich, als er im Jahr 1956 eine Gaststättenlizenz erhielt und begann, in der Gastronomie zu arbeiten. Da die Arbeit jedoch unterbezahlt war, entschied sich Herr Piras im Jahr 1961, für einige Zeit nach Deutschland zu gehen, wo er 2,70 DM pro Stunde, anstatt wie in Italien 4 DM für 14 Stunden Arbeit verdienen konnte. Seine Frau, mit der er seit 1959 verheiratet war und seinen Sohn ließ er zunächst zurück. Sie folgten ihm ein Jahr später. 1963 kam der zweite Sohn In Deutschland zur Welt.

Altes Schwarz-Weiss-Portrait von Antonio Piras

Um nach Deutschland einreisen und dort arbeiten zu können, musste Antonio Piras zunächst nach Verona reisen und sich einer Gesundheitsprüfung unterziehen. Dies war ein schwieriges Unterfangen, da alle italienischen BewerberInnen gleichzeitig zur Gesundheitsprüfung bestellt worden waren und somit 4 Tage verstrichen, bis er an die Reihe kam. Zudem war er genau zu diesem Zeitpunkt an einer Rippenfellentzündung erkrankt, weshalb er befürchtete, nicht für die Arbeit in Deutschland zugelassen zu werden. Bereits bevor er seine Reise in den Westerwald antrat, wusste Herr Piras, dass er in Höhr-Grenzhausen in der Keramikindustrie tätig sein würde. Sonstige Vorbereitungen, wie z.B. einen Sprachkurs, gab es damals nicht. Von Sardinien aus begab sich Herr Piras gemeinsam mit einem anderen Italiener auf eine 13-stündige Reise, zuerst mit dem Schiff und dann mit dem Zug. In seinem Koffer befanden sich Kleider, die jedoch nicht winterfest waren und ein 1,5 Kilo schwerer Schinken als Reiseproviant. Sein zukünftiger Arbeitgeber holte ihn schließlich am Bahnhof ab und brachte ihn zu seiner Unterkunft.

Antonio Piras begann seine Berufstätigkeit in der Firma Steuler, wo er, obwohl sein Vertrag zunächst auf ein Jahr befristet war, letzten Endes 32 Jahre blieb. Heute ist er in Rente, engagiert sich aber weiterhin in der Gewerkschaft. Die Arbeit in der Fabrik war sehr hart, nach seinem Empfinden härter als die Arbeit, die die deutschen KollegInnen erledigen mussten. Herr Piras musste beispielsweise regelmäßig 1,5 Tonnen schwere Paletten mit Hilfe eines Wagenhebers bewegen, was ihm wegen seiner geringen Körpergröße sehr schwer fiel. Die erste Bleibe, in der Herr Piras in Deutschland lebte, war eine Gastarbeiterunterkunft der Firma Steuler. Diese beschreibt er als eng, unsauber und unkomfortabel. Antonio Piras fiel es in der neuen Heimat leicht, Kontakte zu knüpfen. Von seinen KollegInnen wurde er sehr freundlich aufgenommen und im Laufe der Jahre baute er zudem ein gutes Verhältnis zur Familie seines Arbeitgebers auf. Schon damals war er ein sehr geselliger Mensch. Scherzhaft sagt er heute, dass ihn jeder in Höhr-Grenzhausen kennt.

Seine geringen Sprachkenntnisse machten Antonio Piras lange Zeit Schwierigkeiten. Er versuchte, bei der Gewerkschaft die Organisation eines Sprachkurses für die »GastarbeiterInnen« durchzusetzen, was ihm aber nicht gelang. »Das Wort Integration wird heute oft gesagt. Damals war das nicht so.«, äußert er in diesem Zusammenhang. Jahre später besuchte er dann einen Sprachkurs bei der Volkshochschule.

Interview geführt 19. November 2009 in Höhr-Grenzhausen durch A. Girnstein, J. Nicolaides, C. Niesen.

PfeilNach oben